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Am frühen Morgen des 11. September erreichte ich New York City an Bord der Queen Mary 2.
Nachdem wir mit nur rund 3 Meter Freiraum die Verrazano-Narrows Bridge unterquert hatten, fuhren wir langsam in die Hafenanlagen von New York City ein. Die Qualität des Titelbilds lässt zwar gewiss zu wünschen übrig, aber man gewinnt sicherlich einen Eindruck davon, welcher Anblick sich uns bei der Einfahrt bot: Direkt vor dem Bug die hell erleuchtete Freiheitsstatue, rechts davon die Skylines von New Jersey und Lower Manhattan, deren Wolkenkratzer teilweise verschleiert waren.
So erhebend die Ankunft im Hafen gewesen war, so langwierig war die Ausschiffungsprozedur in Brooklyn, genauer gesagt: Die Einreiseformalitäten der USA. Erst gegen Mittag erreichte ich mein Hostel in Queens und tauschte meine Kabine auf einem Luxusschiff gegen ein Bett in einem Schlafsaal. So schnell kann das gehen!
Als ich am Nachmittag durch den Central Park schlenderte (und dabei in ein heftiges Gewitter geriet), ging mir durch den Kopf, dass New York wohl eine der Städte ist, die man auch dann wiedererkennt, wenn man noch nie selbst dort gewesen ist. In der Populärkultur ist die Stadt bestens vertreten, besonders in Filmen, wie "King Kong", "The Wolf of Wall Street", "Hitch", "Spiderman" und "Joker" (bloss dass die Stadt in letzterem natürlich Gotham heisst). Mehrere Serien spielen in New York, man denke da an "Friends" und "How I met your Mother". Beispielsweise The Mall im Central Park hat für mich solchen Wiederkennungswert, aber auch die teilweise auf stählernen Stelzen über der Strasse verlaufende Subway.


Abgesehen davon ist die Freiheitsstatue ein Symbol nicht nur für den Big Apple, sondern für die USA ganz allgemein. Auch andernorts tauchen Motive aus New York auf, ein Bild der sehr fotogenen Brooklyn Bridge kann beispielsweise auch bei IKEA günstig erworben werden.


Natürlich hebt sich auch die Skyline von Manhattan recht deutlich von der anderer Grossstädte ab, nicht nur wegen der verschiedenen Wahrzeichen wie dem Empire State Building, dem Chrysler Building oder seit 10 Jahren dem 1776 Fuss hohen One World Trade Center (die Höhe entspricht dabei dem Jahr, in welchem die Unabhängigkeitserklärung unterschrieben wurde). Besonders die älteren Hochhäuser zeigen zudem eine charakteristische Form mit so genannten Staffelgeschossen, das heisst, sie verjüngen sich gegen oben. Diese Bauweise ist auf einen Beschluss von 1916 zurückzuführen, der das Volumen der Gebäude einschränken und so dazu beitragen sollte, dass Sonnenlicht die Strassen noch erreichen kann. Inzwischen gelten andere Regeln, sodass neuere Gebäude häufig eher uniforme Klötze sind.

Genau 22 Jahre vor meiner Ankunft in der Stadt verschwanden zwei Hochhäuser für immer aus der Skyline: Die Twin Towers, an deren Stelle heute als Denk- und Mahnmahl heute die grössten menschgemachten Wasserfälle der Vereinigten Staaten stehen. Ihr Rauschen soll den Alltagslärm üertönen und so einen Ort der Andacht schaffen, um der 2983 Opfer zu gedenken. An diesem Jahrestag steckten die viele Angehörige Blumen und Fähnchen in die gravierten Namen und die Vereinigungen der Piloten und des Kabinenpersonals liessen Kränze nieder. Beim Lesen der Namen wurde mir einmal mehr mir bewusst, wie viele Rettungskräfte beim Einsturz der Türme ums Leben kamen.

Nach Einbruch der Dunkelheit erinnerte dann die Kunststinstallation "Tribute in Light" an die Terroranschläge und das Fehlen der Zwillingstürme. Im folgenden Bild sind die beiden Strahlen aus jeweils 44 Suchscheinwerfern links schwach erkennbar - bei guter Sicht können sie noch aus 97 km Entfernung ausgemacht werden.

An meinem ersten vollen Tag erkundete ich Brooklyn, ein facettenreicher Stadtteil, der in den letzten Jahren und Jahrzehnten starke Veränderungen erfahren hat. In den ehemaligen industriellen Bezirken am Ufer des East River wurden und werden Wohn- und Bürogebäude gebaut, und natürlich mehrere Parks eingerichtet. Sehr hübsch ist dabei Domino Park, der auf dem Gelände einer ehemals bedeutenden Zuckerfabrik entstanden ist und Elemente der früheren Anlage verwendet.

Brooklyn, besonders das Quartier Bushwick ist auch ein Ort, wo grossflächige Graffiti-Kunst bewundert werden kann. Es gibt sogar ein Künstlerkollektiv, das einmal jährlich eine Graffiti-Nacht organisiert und dabei mit Erlaubnis der Besitzer die Wände neu verziert.Teilweise ist auch fotoechte Werbung auf die Wände gesprüht, ich musste dreimal gucken, um sicher zu sein, dass es sich nicht um Plakate handelt.

Nachdem meine Füsse erfolgreich Protest gegen derart ausgedehnte Erkundungstouren eingelegt hatten, verbrachte ich einen Tag im American Museum of Natural History - ein riesiges und absolut faszinierendes Museum mit tausenden spannender Ausstellungstücke. Mein Fokus lag für dieses Mal auf der riesigen Sammlung der Fossilien, die ein ganzes Stockwerk einnimmt.

An jenem Abend führte ich dann meinen Anzug zum letzten Mal aus, an den Broadway, um "Harry Potter and the Cursed Child" zu schauen. In der Menge der Touristen, die teilweise mit Fanartikeln des Universums von J. K. Rowling ausstaffiert waren, muss ich ziemlich aufgefallen sein, jedenfalls kommentierte ein Angestellter meinen Auftritt mit "Looking sharp, brother, thank you!" :) Aktuell ist der Anzug in der Reinigung und wird hoffentlich irgendwann einmal einen neuen Besitzer in Queens finden.

Die folgenden Tage liess ich etwas ruhiger angegehen und entdeckte verschiedene Ecken der Stadt für mich, auch solche, die von Touristen weniger überlaufen sind, Governor's Island etwa oder The Cloisters (mit Elementen aus vorwiegend französischen Klostern wurde hier ein Gebäude mit vier Kreuzgängen erbaut, das dem MET zum Ausstellen mittelalterlicher Kunst dient). Besonders Besuchern mit viel Zeit bietet New York viel Schönes, angefangen bei den Kunstmuseen und verschiedenen Kunstinstallationen (auch New York hat, wie Chicago, eine "Cloud Gate" von Anish Kapoor, nur ist sie viel versteckter und touristisch völlig unbedeutend) über Events und Feste in den Quartieren und Gemeinschaften (diese Tage beispielsweise das San Gennaro Fest in Little Italy oder das - nicht öffentliche - jüdische Neujahr in Williamsburg) zu den zahlreichen Parks, die zum Verweilen einladen. Sie bieten Lebensraum für hunderte von Pflanzen- und Tierarten, darunter sehr forsche Eichhörnchen (eines ist mir sogar am Bein hochgeklettert!). Touristen wie Einwohner geniessen die Grünflächen, die neben Bänken, Liegewiesen und Spielplätzen meist mit Brunnen und öffentlichen Toiletten aufwarten. Gestern habe ich im Washington Square Park gegen einen Chess Hustler Schach gespielt - und meinen Einsatz verloren :(


Einen weiteren spannenden Park, bei dem Industrierelikte umgenutzt wurden, findet man übrigens in Chelsea (Manhattan). Dort sind die Stahlstrukturen einer Hochbahn in einen hübschen, wenn auch sehr schmalen und langen Park (genannt The Highline) umgewandelt worden. Die Schienen sind in grossen Teilen noch sichtbar und wurden auf verschiedene Weisen in den Park integriert, als dekoratives Element oder auch als Basis für Liegesessel auf Rädern.

Natürlich hat die Stadt aber auch ihre Schattenseiten, die man als Tourist gerne übersieht. In der Bronx sah ich Menschen an einer Essensausgabestelle Schlange stehen, in öffentlichen Toiletten begegnete ich Obdachlosen und an einem Auto deutete eine eingeschlagene Scheibe auf Gelegenheitskriminalität hin. Die berühmt-berüchtigten Gegenden, die von Banden beherrscht wurden, sind aber inzwischen sehr sicher, vor allem dank eines ziemlich eingriffigen Gesetzes, das Hausdurchsuchungen auch ohne Durchsuchungsbefehl ermöglicht.

