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Banff National Park

Banff National Park

Montag, Juni 17, 2024

Von Vancouver aus reiste ich per Bus auf dem Trans-Canada Highway nach Osten, mitten hinein in die kanadischen Rocky Mountains.

Mit der Zeit baute sich das Gebirge vor uns auf, dann fuhren wir durch nadelbaumbestandene Hügel und Berge. Es wirkte auf mich wie die Schweiz – nur viel weiter und weniger zersiedelt. Schnee leuchtete von den Gipfeln, im Tal mäandrierten Flüsse und ruhten Bergseen. Am Ufer eines Sees hatte sich ein Holzverarbeiter angesiedelt; im Wasser davor trieben Baumstämme und an Land bestand eine direkte Anbindung an die Eisenbahn. Immer wieder folgte die Strasse den Geleisen, manchmal waren extrem lange Güterzüge zu sehen – teilweise über 180 Wagen waren aneinandergereiht! Drei Lokomotiven ziehen jeweils die Fracht, die aus übereinandergestapelten Schiffscontainern, Tankwagen und Getreidetransportern besteht. Personen werden auch ab und zu noch befördert, allerdings nur im Luxussegment, in Panoramawagen mit Livekommentar und mehrgängigen Menüs, die an den Platz serviert werden. Eine Fahrt von Vancouver nach Calgary wird in drei Tagen bewältigt, mit Übernachtungen in Hotels entlang der Strecke und Ausflugsmöglichkeiten an den Bahnhöfen, analog zu dem, was Kreuzfahrtschiffe anbieten.

Entlang dem Trans-Canada Highway

Dabei dauert die eigentliche Fahrt gar nicht so lange: In etwas über zwölf Stunden erreichte ich, mit einigen Pausen unterwegs, das Dörfchen Banff im gleichnamigen Nationalpark. Es handelt sich um den ältesten und gleichzeitig um einen der schönsten Nationalparks Kanadas. Zusammen mit drei weiteren Nationalparks (Yoho, Kootenai und Jasper) sowie drei Provinzparks (Mount Robson, Hamber und Mount Assiniboine) ist Banff National Park Teil eines 23'600 km² grossen zusammenhängenden Schutzgebiets, das seit 1984 UNESCO-Weltnaturerbe ist: Die Canadian Rocky Mountain Parks World Heritage Site.

Banff Lakes

Von Banff aus unternahm ich einige Ausflüge in die Umgebung. Der erste davon führte mich ans Ufer des Lake Louise, dessen türkises Wasser schon früh Besucher in seinen Bann gezogen hatte. Benannt ist der See, wie auch die Provinz Alberta, in der er sich befindet, nach Prinzessin Louise Caroline Alberta von Grossbritannien und Irland, der vierten Tochter von Königin Victoria. Die Canadian Pacific Railway errichtete im Tal eine Station entlang ihrer transkontinentalen Route und befeuerte kräftig den Tourismus in der Region. Zu diesem Zweck heuerte sie mehrere Schweizer Bergführer an, die hier gutbetuchte Gäste auf die Gipfel brachten und den zuweilen noch erkennbaren Chaletstil in die örtliche Architektur einführten. Ihre Spuren hinterliessen diese Auswanderer auch stellenweise in Flurnamen und beim Bau der ersten Berghütte, die auf dem Abbot Pass steht und heute ein National Historic Monument ist.

Lake Louise

Einen zweiten Stopp legte ich beim nahen Moraine Lake ein, der im Valley of the Ten Peaks liegt. Samuel Allen, der unter der Führung eines indigenen Guides als erster nicht-Indianer den See erblickte, nummerierte die zehn Gipfel in der Sprache der Stoney Nakoda, welche seit mindestens 13'000 Jahren im Tal gelebt hatten, durch. Nur drei der Gipfel behielten allerdings ihre Namen, die übrigen wurden nach verdienten Persönlichkeiten neu benannt (eine der derart geehrten Personen ist Samuel Allen selbst). Eine Weile lang zierte ein Bild des berühmten Sees auch die kanadische Zwanzigdollarnote, heute sind Sonnenaufgangsbilder des Naturwunders von Social Media nicht mehr wegzudenken. Bei meinem Spaziergang am Ufer stiess ich auf hübsche Meisenhäher und putzige Goldmantelziesel, welche Streifenhörnchen ziemlich ähnlich sehen.

Moraine Lake
Moraine Lake
Goldmantelziesel

Eine weitere Tour führte mich am Abend an verschiedene Aussichtspunkte rund um Banff, das eigentliche Ziel war es jedoch, die Fauna zu beobachten. Zur Dämmerung ist die Tierwelt besonders aktiv und mit viel Glück können sogar Grizzly-Bären, Wölfe und Pumas erspäht werden. Übrigens sind fast alle Strassennamen im Dorf nach einheimischen Tieren benannt, so gibt es beispielsweise eine Moose Street, eine Beaver Street und eine Muskrat Street. Wir bekamen vor bestem Panorama süsse Columbia-Ziesel zu Gesicht, welche im Erdboden Bauten graben und auf den Hinterbeinen stehend nach Feinden Ausschau halten.

Aussicht auf die Seen
Columbia-Ziesel

Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont zu und rückte die fantastische Aussicht in ein wunderbares Licht. Unterwegs begegneten wir zwei Weisswedelhirschen, einer Wapitikuh mit Nachwuchs und einer Familie Dickhornschafe, die furchtlos direkt am Strassenrand graste.

Bow River
Randell Mountain
Dickhornschafe

Auch entlang der Autobahn erblickte ich übrigens Tiere (Wapitis und einen Amerikanischen Schwarzbären), die hier mit einem langen Zaun daran gehindert werden, unter die Räder zu kommen. Mehrere Tunnels und Brücken sorgen zudem dafür, dass diese künstliche Schneise relativ gefahrlos gequert werden kann – leider haben aber Raubtiere erkannt, dass es sich dabei um Nadelöhre auf dieser wichtigen Migrationsroute handelt, und lauern ihrer Beute ziemlich bequem an einem Ende der Querung auf.

Wapitis

Ein gerne beworbenes Highlight des Parks stellt die Gondelbahn dar, welche in flottem Tempo auf den Sulphur Mountain fährt. Ich genoss, bei massiv besserem Wetter als angekündigt, das Panorama und machte eine kurze Wanderung zu einem Aussichtspunkt fernab der Menschenmassen. Der Blick schweifte weit übers Land, und diverse Informationstafeln machten Besucher auf Flurnamen, heilige Kultstätten der Indianer und die lokale Flora und Fauna aufmerksam. Auf dem höchsten Gipfel des Bergs steht noch eine historische Wetterstation, die bis 1930 betrieben wurde; die einst bedeutende Forschungsstation zur Untersuchung kosmischer Strahlung hingegen wurde bereits vor Jahrzehnten zurückgebaut.

Banff und Bergpanorama
Sundance Canyon

Ich verbrachte den Nachmittag mit einem Spaziergang durchs Dorf und einer Kanufahrt auf dem Bow River, dessen Namen eine direkte Übersetzung des ursprünglichen Indianer-Namens ist: Die Stoney Nakoda nutzten das Röhricht, das an seinem Ufer wächst, um Bogen zu fertigen. Das kalte Gletscherwasser fliesst von hier in einem grossen Bogen nordostwärts quer durch das Land zur Hudson Bay. Besonders Abends können vom Boot aus Tiere zu Lande und zu Wasser beobachtet werden, mir blieb dieses Glück jedoch versagt.

Bow River Kanutour

Zum Abschluss besuchte ich einen historischen Ort der besonderen Art: Die Cave and Basin National Historic Site. Hier befindet sich das Herz des Nationalparks und der Grundstein für das Nationalparksystems in Kanada. 1883 stiessen drei Arbeiter der Canadian Pacific Railway bei einem Ausflug auf eine Tropfsteinhöhle, aus der Schwefeldämpfe aufstiegen, und stellten fest, dass der Geruch auf Thermalquellen zurückzuführen war. Sofort machten sie sich daran, eine Hütte zu bauen und das Land für sich zu beanspruchen, um ihre Entdeckung dank zahlungskräftigen Kurgästen in klingende Münze zu verwandeln. Kanada gewährte ihnen dieses Recht allerdings nicht; weil sie auf ihrem Claim keine Bodenschätze ausbeuten wollten, fiel ihr Anspruch nicht unter die entsprechende Gesetzgebung. Stattdessen wurde 1885 ein kleines Gebiet um die Quellen "für alle Kanadier" geschützt und 1887 zum Rocky Mountains National Park erweitert. Rasch wurde ein Zugangsstollen zur Höhle in den Berg gesprengt und die Thermalquellen mit einem Badhaus genutzt, freilich ohne die Auswirkungen auf die Umwelt zu bedenken. Eine Zeit lang wurde das leicht radioaktive Wasser gar in Flaschen abgefüllt und verkauft. Seit bekannt wurde, dass einer endemischen und inzwischen vom Aussterben bedrohten Schneckenart, die im Wasser lebt, die Öle auf der menschlichen Haut schaden, wurden der Badebetrieb und die kommerzielle Nutzung des Mineralwassers eingestellt. Vom warmen Wasser profitieren, neben den erwähnten kleinen Schnecken, verschiedene Pflanzenarten, eine endemische Fischart und sogar seltene Strumpfbandnattern, die am Ufer überleben können, weil es auch im Winter schnee- und eisfrei bleibt. Leider machen in den 1960er-Jahren für einen Versuch ausgesetzte tropische Aquariumfische der lokalen Fauna zu schaffen.

Warmwasserquelle

Nach meinem doch sehr kurzen Aufenthalt im Nationalpark verbrachte ich eine Nacht in Calgary, der Gastgeberin der Olympischen Winterspiele während meines Geburtsjahrs. Ich sah mir dort allerdings nichts an, weil mein Flug bereits nachmittags um drei startete und mich auf einer Grosskreisroute über die Gletscherfelder Alaskas und die Beringsee, entlang der Kamtschaka-Halbinsel und dem Ochotskischen Meer nach Tokio brachte. Und hier wird es nun Zeit, das letzte Kapitel dieses Reiseberichts aufzuschlagen.

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