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In Roseau bestieg ich die Fähre nach Pointe-à-Pitre in Guadeloupe. Nachdem Dominica noch einmal die Gelegenheit genutzt hatte, ihre grünen Berge zu präsentieren, verblasste die Insel langsam am Horizont, während die Details auf Guadeloupe langsam sichtbar wurden.
Und plötzlich war ich, 5628 km von der Südostspitze des europäischen Festlands in Portugals entfernt, wieder auf EU-Boden. Guadeloupe ist ein fast vollständig integriertes Département Frankreichs, zum Schengenraum gehört es allerdings nicht. Und so konnte ich verschiedene Details beobachten: Das grau des Küstenwachenschiffs wird diagonal von der Tricolore durchbrochen, die Passkontrolle erfolgt in getrennten Schlangen für Pässe aus EU-Ländern und solche von ausserhalb, die Autokennzeichen zeigen den bekannten Sternenkranz, die Steckdosen entsprechen europäischen Standards und in den Regalen der französischen Supermarktketten findet man sogar Spekulatius. Im Vorfeld hatte ich mich aber besonders auf die Bäckereien gefreut, mit Croissants, Pain au Chocolat und Baguette. Backwarentechnisch war ich also durchaus froh, dass die Herrschaft des schwedischen Königs über das Gebiet als Folge der Napoleonischen Kriege nur rund 14 Monate lang gedauert und dass Frankreich danach die Kontrolle wiedererlangt hatte.

Ich hatte ursprünglich nicht vorgehabt, Guadeloupe zu besuchen, dann aber meinen Aufenthalt in Dominica etwas verlängert und mich für die Überfahrt mit der Fähre entschieden, im vollen Bewusstsein, dass zwei Tage der Vielfalt und Schönheit der Inseln nicht gerecht werden würden. Um mobiler zu sein und auch entlegenere Orte besuchen zu können, mietete ich mir am Flughafen sehr günstig ein Fahrzeug. Am ersten Tag fuhr ich nach Bains Jaunes auf der Insel Basse-Terre, von wo aus ich in einer kurzen Wanderung La Soufrière bestieg, den mit 1467 m höchsten Gipfel der kleinen Antillen. Er befindet sich im Parc National de la Guadeloupe, der seit 1992 auch UNESCO-Biosphärenreservat ist.

Der Weg ist sehr touristenfreundlich gestaltet, am Anfang gepflastert und geteert, ab dem ehemaligen Parkplatz Savanne à Mulets dann breit und relativ gut ausgebaut. Am Ende des Pas du Roy, "Königstritt", wie das erste Wegstück genannt wird, ändert sich schlagartig die Vegetation: Beim letzten Ausbruch des Vulkans 1976 verbrannten die höheren Bäume, die nachkommenden müssen mit dem Wind und den auf dieser Höhe geringeren Niederschlagsmengen zurechtkommen und sind maximal zwei Meter hoch. Das Ökosystem ist ein Nebelwald, das heisst, die Pflanzen decken ihren Wasserbedarf direkt aus Nebeltröpfchen. Typischerweise sind viele Pflanzenarten Epiphyten, das heisst, sie wachsen auf der Rinde grösserer Pflanzen, um besser ans Licht zu kommen – aber ohne dabei Schmarotzer zu sein. Der Nebel bildet sich, weil der Passatwind feuchte Luft mit sich bringt, die an den östlichen Bergflanken aufsteigt und abkühlt, sodass eine Kondensation stattfindet. Der Gipfel von La Soufrière ist daher auch des Öfteren im Nebel, so auch in meinem Fall.

Der Weg bietet schöne Ausblicke auf Basse-Terre und die vorgelagerten Felseninseln; vom Gipfel sähe man bei gutem Wetter ganz Guadeloupe. Auch wenn es sich um einen Vulkan handelt, ist kein eigentlicher Krater vorhanden, vielmehr konzentriert sich die Aktivität auf Fumarolen, Solfataren und heisse Quellen an verschiedenen Stellen. Wegen der austretenden Gase (Schwefelverbindungen und Salzsäure) ist ein Grossteil des Gipfelgebiets nicht für die Öffentlichkeit zugänglich und sollte nur mit Führer und Gasmaske betreten werden. Dennoch konnte man die Gase auch am Gipfel riechen. Da es mit böigen Winden und dem Nebel ziemlich kalt war, ass ich in der betonierten Schutzhütte zu Mittag. Dort traf ich ein putziges Tierchen, einen Kleinen Mungo, an und eine Weile lang beobachteten wir uns gegenseitig. Eigentlich ist das Tier in Südostasien heimisch und wurde im 19. Jahrhundert eingeführt, um die Ratten- und Schlangenpopulation zu regulieren, allerdings bedroht er als invasibe Spezies die einheimischen Amphibien-, Reptilien- und Vogelarten. Auch Meeresschildkröteneier sind nicht vor ihm sicher 🥺


Auf dem Rückweg kam ich dann doch noch an einigen Solfataren vorbei und konnte im lauwarmen Wasser einer schwefel- und eisenhaltigen Quelle baden. Allerdings ohne den Kopf unter Wasser zu bringen, da die "hirnfressende" Amöbenart Naegleria fowleri sich in den Sedimenten am Boden des Beckens wohl fühlt.
Den zweiten Tag verbrachte ich gemütlich unter einer Palme am Strand, an der Plage de l'Anse Laborde auf der Insel Grande-Terre. Das Wasser brandet hier in verschiedenen Blau-, Türkis- und Grüntönen an die zum Teil felsige Küste.


Am Abend brachte mich dann ein halbleerer Airbus A320 nach Sint Maarten. Kolumbus hatte am 11. November 1493, dem Festtag des Martin von Tours, eigentlich das heutige Nevis nach dem Heiligen benannt, wegen ungenauer Karten wurde der Name aber irgendwann fälschlicherweise auf diese Insel übertragen. Später hatten sowohl Franzosen als auch Niederländer Interesse am Eiland und einigten sich 1648 passenderweise im Vertrag von Concordia, das Land aufzuteilen. Nach insgesamt 16 nicht ganz so einträchtigen Grenzänderungen bis zum Jahre 1817 gehören nun 61 % der Fläche zu Frankreich. Dieser Teil heisst entsprechend Saint Martin und ist seit 2007 eine eigene collectivité d'outre-mer, davor hatte es zum département d'outre-mer Guadeloupe gehört. Hier befindet sich der westlichste Punkt der Europäischen Union. Sint Maarten ist ein autonomes Land innerhalb des Königreichs der Niederlande und gehört nicht zur EU. Offizielle Währung ist der Antillengulden, US-Dollar werden allerdings auch überall akzeptiert und sogar von den Geldautomaten ausgegeben. Auf der ganzen Insel wird primär Englisch gesprochen, Niederländisch oder Französisch sind Zweitsprachen.
An meinem ersten Tag nahm ich an einer Inseltour teil, bei der unser Führer Eddy das Grüppchen zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten brachte und Informationen zu Geschichte, Besonderheiten und Bevölkerung zum Besten gab. Die Grenze war dabei natürlich Thema – diese ist im Alltag nicht spürbar, was trotz der politischen Trennung zu einem Einheitsgefühl unter den Bewohnern führt.

Unter anderem machten wir Halt am Orient Beach, wo ich leider meine korrigierte Sonnenbrille beim Baden verlor, und im französischen Hauptort Marigot, wo ich das Fort Louis besichtigte, während die vier kauffreudigen Kreuzfahrtschiffspassagiere der Gruppe die Innenstadt unsicher machten.


Der Tourismussektor beschäftigt 80 % der Bewohner von "The Friendly Island"; der Hafen von Philipsburg bietet ganzen sieben Kreuzfahrtschiffen gleichzeitig Platz und auf dem Princess Juliana Airport landen auch Maschinen mit Passagieren aus Übersee. Der Flughafen, beziehungsweise der davor liegende Maho Beach bildet gleichzeitig die wohl bekannteste Attraktion der Insel, da die Flugzeuge bei der Landung nur knapp über die Köpfe der Badegäste donnern.

Ich besuchte an meinem letzten Tag in der Karibik Philipsburg, das erwartungsgemäss sehr touristisch ist. In Sint Maarten wird keine Mehrwertsteuer erhoben, sodass sich viele Gäste mit Waren eindecken. Dicht an dicht stehen hier dutzende von Juweliergeschäften, dazwischen findet man auch Spirituosenläden und Souvenirshops (wer möchte, kann beispielsweise holländische Holztulpen oder Delfter Blau Weihnachtsschmuck erstehen). Ausserdem gibt es mehrere Casinos und an der Strandpromenade reihen sich Bars und Strassenstände auf. Ich verliess den Trubel für eine Weile und besuchte die Ruinen von Fort Amsterdam, wo ich neben den hier allgegenwärtigen Leguanen Pelikane beim Füttern der Jungtiere beobachten konnte.


Nach einem letzten Bad im Meer ging ich zurück nach Philipsburg, auf dessen Strassen Ruhe einkehrte, als die Abfahrt der Schiffe näher rückte. Nach Sonnenuntergang kam die – für mich immer noch etwas surreal wirkende – Weihnachtsbeleuchtung schön zur Geltung.

Heute geht das nächste Kapitel meiner Reise auf: Ich fliege weiter nach Südamerika.


