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Mit dem Flugzeug ging es weiter nach Jamaika – aus der Luft hatten wir einen herrlichen Blick auf karibische Atolle und die Nordküste Jamaikas.
Nach viel Warterei bei der Passkontrolle und am Zoll, einem geschicken Betrug durch die nette Dame in der Wechselstube und einer kurzen Taxifahrt kam ich im gemütlichen Hostel von Montego Bay an. Meine ersten Eindrücke von Jamaika waren, dass es heiss und feucht war, es überall viele Leute hatte und ein entsprechender Lärmpegel herrschte. Die Strassen waren vollgepackt mit hupenden Fahrzeugen, plappernden Schüler*innen in Uniform, Strassenhändlern und Leuten, die sich ihren Weg im Durcheinander bahnten. Schwer vorstellbar, dass der steife König Charles III. im fernen London auch über dieses bunte Treiben gebietet!

Montego Bay, von den Einheimischen auch liebevoll "Mobay" genannt, liegt im Norden der Insel und ist die zweitgrösste Stadt des Landes. Sie ist aufgrund ihres Flughafens und ihres Kreuzfahrtschiffterminals touristisch bedeutend und viele Resorts sind neben einigen Bars und Souvenirshops am "Hip Strip" angesiedelt. Das Hostel hingegen findet man mitten im Stadtzentrum; früher einmal war in diesem Gebäude die Bibliothek untergebracht. Ich erkundete an meinem ersten Tag die Stadt, badete am öffentlichen Strand und zahlte Lehrgeld bei den "Guides" oder jenen, die sich dafür ausgaben. Nein sagen lernt man hier rasch, wenn man das Portemonnaie schonen möchte – und als wandelnden Geldbeutel sehen viele die Touristen an. Manche betteln oder schnorren, andere bieten überteuerte Armbänder, Getränke oder Ganja (Marihuana) an, teilweise verlangen die Verkäufer an den Essensständen von Touristen auch einen höheren Preis. Die allermeisten Leute sind aber sehr freundlich und hilfsbereit.

Der Tourismus ist die wichtigste Einnahmequelle des Landes, noch vor dem Export von Bauxit und tropischen Agrarerzeugnissen. Die touristische Seite der Insel lernte ich bei einem Ausflug nach Negril kennen. Mit dem Kleinbus ging es direkt zum Strandclub Margaritaville, der mit einer halb motivierten DJane, gratis Strandliegen und teuren Sonnenschirmen punktet. Auch das Essen ist vergleichsweise teuer und dankenswerterweise müssen die zahlreichen amerikanischen Touristen sich nicht einmal umgewöhnen – die Preise sind in US-Dollar angegeben, die Mehrwertsteuer wird völlig ortsunüblich noch dazugeschlagen und beim Bezahlen mit Kreditkarte kann man bequem noch 15, 20 oder 25% Trinkgeld auswählen. Ich bevorzugte einen Strandspaziergang dem Brutzeln in der Sonne, zumal wir uns am hübschen 7 Mile Beach befanden. Später motorten wir bei bestem Ostwind mit dem Katamaran zu einem kleinen Korallenriff, wo ich beim Schnorcheln einige kleine bunte Fische, eine Schildkröte und einen Baby-Rochen beobachten konnte. Zum Abschluss ging es zum "weltberühmten" Rick's Cafe, wo die Preisgestaltung erneut dem amerikanischen Standard entsprach. Von der Terrasse konnte man aus rund 8 bzw. 10 Metern Höhe von den Felsen ins Meer springen. Die Felsen selbst sind übrigens von vielen spannenden Lebewesen bewohnt; Krebse, Seeigel und Fische tummeln sich hier. Nach einem spektakulären Sonnenuntergang ging es wieder zurück nach Montego Bay. Die meisten Touristen sehen wohl nur ihr Resort und solche Orte und halten das dann vermutlich für Jamaika. Schade eigentlich.


Kontrastprogramm am Folgetag: Ich hatte mich mit Sophia und Mike, zwei Backpackern aus Deutschland, zusammengetan, mit dem Plan, per Bus nach Ocho Rios und weiter nach Port Antonio zu fahren. Das Bussystem ist hier etwas anders organisiert als in Europa: Am Ausgangspunkt setzt man sich in den Kleinbus und wartet darauf, dass er sich füllt. "Voll" heisst hier, dass im Mittelgang Sitze heruntergeklappt oder Schemel aufgestellt werden, zum Teil belegen dann fünf Leute vier Sitze. Wir waren früh da und warteten über eine Stunde bis zur Abfahrt – Inselzeit halt. Langweilig wurde es aber nicht, immer wieder öffneten sich die Türen und Fenster, es wurden Essen und Getränke angeboten, sogar eine Gospelsängerin trat live im Wagen auf, um ihre CDs zu vermarkten. Mit Reggae aus den Lautsprechern ging es später in flotter Fahrt dem Ziel entgegen. Die Tempolimits werden von einigen Fahrern nur als Vorschläge interpretiert und die Kurven schwungvoll genommen, es wird munter überholt, gerne auch auf Sperrflächen oder auf der falschen Seite, das heisst in diesem Land mit Linkssverkehr links. Die grosszügig eingesetzte Hupe ist ein wichtiges Kommunikationsmittel, die Stossdämpfer erhalten stellenweise die Gelegenheit, sich zu beweisen, nur die Sitzgurte sind noch neuwertig.

Wir stiegen an den Dunn's River Falls aus, welche die Hunderternoten zieren und touristisch gut erschlossen sind. Uns waren es zu viele Tourbusse und ein zu teures Eintrittsgeld, daher gingen wir weiter zu den Little Dunn's River Falls, die aber leider eingezäunt und unzugänglich waren. Vom Meer aus konnten wir sie betrachten, mit wohlwollendem Einverständnis des Wachmanns. Allerdings tauchte plötzlich jemand auf und wollte drohend und uns beleidigend eine "Donation" für sein vorgebliches Saubermachen der Natur haben – ungeachtet dessen, dass gleich mehrere Plastikartikel und Bierdosen direkt um uns herum lagen. Wir verzogen uns ohne Spende und wanderten weiter zu den wunderschönen Konoko Falls. In kleinen Kaskaden plätschert das Wasser hier über die Felsen und man darf sie sogar, vorsichtig die Füsse setzend, erklimmen. Wir hatten dieses Naturwunder eine Zeitlang ganz für uns und konnten das Schauspiel ungestört geniessen.

Nach einer Nacht in einem etwas heruntergekommenen Hotel in Ocho Rios ("Ochi") fuhren wir nach Port Antonio, wo wir uns in einem sehr günstigen Guesthouse im Djungel einquartiert hatten. Der freundliche Gastgeber O'Neill brachte uns Kokosnüsse und Zimtapfel aus dem Garten und kochte Abendessen für uns und Koen, einen Niederländer, den wir schon aus Montego Bay kannten. Des Nachts waren die Geräusche des Dschungels zu hören – ein beständiges Zwitschern, Pfeifen, Schnarren und Zirpen, zeitweise auch das Prasseln des Regens auf dem Wellblechdach. Etwas getrübt wurde das Erlebnis dadurch, dass das Bettzeug ziemlich müffelte und die Klospülung nicht funktionierte.
In Port Antonio erkundeten wir die Gegend. Ein sehr nettes Pärchen (Shannon und Paul) gabelte uns an der Strasse auf und fuhr uns den mit Pfützen durchsetzten Weg bis zu den Folly Ruins und zurück. Es handelt sich dabei um eine 1905 erbaute Villa mit klassizistischen Elementen. Bereits 1936 war sie aber wieder verlassen und teilweise zerstört worden. Kurz vor Sonnenuntergang wirkten die überwachsenen und mit Graffiti beschmierten Gemäuer unheimlich und faszinierend zugleich.


Da in der Unterkunft keine funktionale Dusche vorhanden war, begannen wir den nächsten Tag mit einem Bad im West River, statteten den Ruinen einen erneuten Besuch ab und gingen bis zum Leuchtturm auf der Folly-Halbinsel. Auf dem Weg dorthin konnten wir eine riesige Mangrove bestaunen.


Den Nachmittag verbrachten wir in der wunderschönen Bucht Frenchman's Cove, wo ein Fluss ins Meer mündet, sodass sich das kalte Süsswasser und das warme Meerwasser mischen. Auf dem Nachhauseweg nahm uns Odaine, ein Hotelangestellter und passionierter Speerfischer, freundlicherweise mit. Wir verbrachten den Abend anschliessend mit ihm und Koen in der Stadt.


Am Sonntag ging es für mich zurück nach Mobay, während Mike und Sophia die Unterkunft wechselten. Hier zeigte sich, wie stark religiös die Menschen hier sind: rund 72 % sind Christen, die Strassen waren fast leergefegt und viele Restaurants und Essensstände geschlossen. Der Bus fuhr halbleer los und danach langsam, damit der Schaffner das Ziel ausrufend und mit Banknoten winkend mehr Fahrgäste am Wegrand ausfindig machen konnte. Bei einem Zwischenstopp in Anotto Bay warteten wir dann wieder auf Kundschaft, nachdem ein Grossteil der Passagiere ausgestiegen war. Ab Ochi ging es dann am Nachmittag wieder flotter voran. Am Abend war auf der Strasse nur Eiersandwich erhältlich, mit frittierten Bananen und Aufschnitt, Omlett, Käse und Salat.
An meinem letzten Tag besuchte ich das Rose Hall Great House, das die Geschichte der Sklaverei in Jamaika verdeutlicht. Nachdem die einheimischen Taíno ab 1494 durch die Spanier unter Christoph Kolumbus und eingeschleppte Krankheiten grösstenteils getötet worden waren, brachten die Spanier und nach 1655 die Engländer Sklaven aus Afrika auf die Insel. Unter jenen wurde vor allem Zuckerrohr angebaut, wozu grosse Flächen Land und massenhaft Sklaven notwendig waren. Rose Hall beherbergte zwei Generationen von Zuckerrohrplantagenbesitzern. Die zweite Besitzerin, Annie Palmer, die ab 1822 neben ihren drei Ehemännern mehrere Liebhaber umgebracht hatte, wurde hier mit 29 Jahren ermordet. Nicht nur ihr brutaler Umgang mit den schwarzen Bediensteten und Sklaven, sondern auch ihre Vodookünste brachten ihr den Übernamen "White Witch" ein – und sie wandelt heute noch als Geist durch das Anwesen. Nach ihrem Tod im Dezember 1831 begannen Sklavenaufstände, die 1838 zur vollständigen Abschaffung der Sklaverei im britischen Imperium beitrugen. Die nunmehr freien Sklaven verlegten sich vielfach auf Subsistenzwirtschaft im Landesinneren oder schlossen sich den Maroon an, welche aus den verbleibenden Taíno und geflüchteten Sklaven hervorgegangen waren. Daher wurden indische und chinesische Vertragsknechte auf den Plantagen eingesetzt, wobei letztere nach dem Bau des Kanals von Panama her kamen. 1962 erlangte Jamaika die Unabhängigkeit und wählte als Spruch für sein Wappen passenderweise "Out of Many, One People". Über 90 % der Bevölkerung hat Wurzeln in Subsahara-Afrika, ein grosser Anteil hat auch irische Vorfahren.


Den krönenden Abschluss meiner Zeit in Jamaica bildete der Besuch der Luminous Lagoon. Der Name rührt daher, dass im Brackwasser der Lagune Mikroorganismen, Pyrodinium bahamense, leben. Diese nehmen tagsüber Sonnenlicht auf und geben es, wenn sie nachts gestört werden, wieder ab – Biolumineszenz! Von einem Boot aus durfte ich ein Bad in der Lagune nehmen. Während sich direkt an der Oberfläche kaltes Wasser aus dem Fluss Marta Brae befand, in dem die Mikroorganismen nicht leben, leuchtete das warme Salzwasser darunter bei jeder Bewegung bläulich auf. Es fühlte sich an wie Magie und sah ganz so aus, wie in manchen Filmen oder Games Zauberanimationen dargestellt werden. Ein absolut fantastisches Erlebnis! Untenstehendes Bild vermittelt einen Eindruck davon, in der Realität wirkt das Leuchten aber deutlich intensiver, je nachdem, wie stark man sich bewegt.




