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Ein letztes Mal flog ich über die Karibik, den Küsten von Belize, Mexiko und Kubas folgend nach Miami, um am späten Abend in Las Vegas zu landen.
Schon aus der Luft sah ich den Las Vegas Strip mit seiner bunten Beleuchtung, irgendwo gab es sogar eine Feuerwerksshow. Dass Geldspielen hier Trumpf ist, zeigt sich bereits am Flughafen, wo einarmige Banditen die Wartezeit am Gate und beim Gepäckband verkürzen. Ich brauchte mich alletdings nicht zu gedulden, und bald brachte ein Uber-Taxi mich mitten in den Trubel hinein, zu meinem Hotel am Las Vegas Boulevard.

Streng genommen liegt "The Strip" direkt ausserhalb der Stadtgrenzen, wird aber von Besuchern als die eigentliche "Gambling Capital of the World" angeschaut. Hier befinden sich die grössten Hotelkomplexe der Welt, riesige Casinos, ganze Malls mit Luxusgeschäften sowie zahllose Showbühnen, Konferenzsäle und Restaurants. Interessanterweise wurde in derjenigen Oase, die vom mexikanischen Kundschafter Rafael Rivera "Die Auen" genannt worden war, 1855 ein Fort der Mormonen errichtet, dessen Überreste heute noch besichtigt werden können. Nach nur zwei Jahren verliessen sie die Gegend wieder und 1905 wurde die heute auch als "Sin City" bekannte Stadt gegründet. Während der Weltwirtschaftskrise wuchs Las Vegas dank des Baus des Hoover Dam und dem damit verbundenen Zuzug von Menschen. 1931 wurde in Nevada das Glücksspiel legalisiert und die Mindestaufenthaltsdauer für Scheidungen auf sechs Wochen gesenkt, was für die Stadtentwicklung bedeutend sein sollte, zumal in der Arbeiterstadt Boulder City unterhalb des Damms diverse Vergnügungen untersagt waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg schossen dann, insbesondere auch durch Mafiagelder finanziert, Casinos und Hotels aus dem Boden – zu den Attraktionen zählten auch die regelmässigen Atombombentests in der Wüste Nevadas, deren Pilzwolken bis zum Verbot von Oberflächentests 1963 von den Hotelterrassen aus beobachtet werden konnten. Als kleines Bonbon wurden Gäste und Einwohner mit seismischen Erschütterungen und oft auch mit dem Fallout beschenkt, zumal die Stadt leeseits des Testgeländes lag.
Ich verbrachte einen Tag damit, staunend durch die Casinos und Malls der Hotels zu gehen, die teilweise nach einem Thema gestaltet sind. So können auf dem Gelände von Cesar's Palace Kopien antiker Statuen bewundert werden; in der himmelblau überwölbten Strasse der Forum Shops beispielsweise ringen Laokoon und seine Söhne in einem Brunnen ihren Todeskampf mit den göttergesandten Schlangen. In den Vatikanischen Museen steht man für diesen Anblick schon frühmorgens stundenlang an, hier schlendern die Touristen achtlos vorbei und bezahlen noch nicht einmal Eintritt! 😉


Im Venetian fühlt man sich in die berühmte italienische Lagunenstadt versetzt: Die Fassade des Casinos wurde beim Dogenpalast kopiert und im Innenraum können Imitationen von Renaissance-Bildern bewundert werden. Auf engstem Raum stehen die Rialtobrücke (natürlich mit Rollteppich, dafür ohne aufdringliche Maskenverkäufer), der Markusturm und die monolithischen Säulen um einen winzigen Kanal herum, auf dem sich Touristen mit mehr Geld als Verstand auf einem 50-Meter-Rundkurs herumgondeln lassen können. Auch die Shoppingzone im ersten Stockwerk gruppiert sich um einen Kanal mit Gondoliere-Service, und die hübschen Gässchen und Brückchen erinnern mit dem reflektierenden Boden tatsächlich an Venedig nach einem Wolkenbruch.



Es hätte mich gewiss nicht mehr überraschen sollen, aber tatsächlich konnte man im Innenhof des historisch bedeutsamen "Flamingo" einige Chileflamingos beobachten, neben verschiedenen Entenarten, einem geretteten flugunfähigen Braunpelikan, Kois und anderen Fischarten. Neben dem Casino setzt dieses Hotel auch stark auf Hochzeitsfeiern und Badegäste, welche sich im hauseigenen Freibad vergnügen können.


Das Hotel Paris ist von Weitem an seinem Eiffelturm und der Montgolfiere erkennbar, auch ein Triumphbogen in der Hoteleinfahrt, Elemente des Louvre und des Opernhauses der französischen Hauptstadt sowie Bauten im Haussmann-Stil fehlen nicht. Drei der Hauptstreben des stählernen Turms befinden sich im Casino, das auch einen Nachbau des Pont Alexandre III beherbergt. In einem der Rue de la Paix nachempfundenen "Seitengässchen" war ich wieder einmal fasziniert, wie gut es die Architekten verstanden haben, die Essenz einer zugegebenermassen etwas kitschigen Version von Paris herauszuarbeiten.



Ein weiteres Highlight in Vegas war für mich das Hotel "New York, New York", das unter anderem mit Nachbauten der Freiheitsstatue und der Brooklyn Bridge punktet. Das Hotelhochhaus ist der Skyline des "Big Apple" nachempfunden, welche Attrapen von zwei der ehemals höchsten Wolkenkratzer weltweit beinhaltet, namentlich das Empire State Building und das Chrysler Building. Auch auf Strassenniveau sowie im Inneren sind einige bekannte Gebäude und Gegenden der Stadt verewigt, beispielsweise die Börse oder der Central Park.



So richtig zum Leben erwacht Las Vegas am Nachmittag, wenn der berühmte Springbrunnen des Bellagio Choreografien zu wechselnden Songs zeigt und die Casinos sich füllen. Nachts locken die Leuchtreklamen der "City of Lights" Besucher an, teilweise auch Feuershows. Ich widerstand übrigens der Versuchung, mein Reisebudget im Casino etwas aufzubessern, schaute mir auch keine der vielen Burlesque-Darbietungen an, sondern besuchte stattdessen eine Zaubervorführung von David Copperfield. Es ist schon irre, wie teilweise mitten im Publikum Personen und grosse Gegenstände verschwinden oder auftauchen! Der Magier kündigte übrigens Grosses an: Noch dieses Jahr möchte er den Mond verschwinden lassen. Ich an seiner Stelle würde dafür sicherlich eine Neumondnacht wählen, bin aber gespannt auf die Umsetzung des Profis.
Las Vegas diente mir im Grunde vor allem als Ausgangspunkt eines Roadtrips durch den Südwesten der USA und so holte mich ein Uber-Fahrer mit seinem Tesla Model 3 ab, um mich zum grossen Mietwagengebäude in der Nähe des Flughafens zu bringen. Bald darauf sass ich selbst am Steuer. Mein erstes Ziel war der Hoover Dam, der zwischen 1931 und 1936 erbaut wurde und völlig neue Massstäbe setzte. Es wurde derart viel Beton (ganz ohne Armierungsstahl) vergossen, dass Kühlrohre eingebaut werden mussten, um die Hydratationswärme der Abbindungsreaktionen abzuführen. Ohne diese Massnahme hätte der Abkühlvorgang ganze 125 Jahre gedauert! Bei seiner Fertigstellung, die nicht nur innerhalb des budgetierten Rahmens, sondern auch über zwei Jahre vor dem geplanten Zeitpunkt erfolgte, war es das Wasserkraftwerk mit der grössten Leistung weltweit. Auch heute noch staut es den grössten künstlichen See der Vereinigten Staaten auf: Lake Mead. Dessen Pegel liegt aufgrund einer seit 24 Jahren anhaltenden Dürre derart tief, dass nur ein Bruchteil der installierten Kapazität von über 2 TW tatsächlich genutzt werden kann; viele der siebzehn Turbinen stehen still.


Bei einer Führung durch das Bauwerk konnte ich den Maschinenraum auf der Seite Nevadas sowie einen kleinen Teil des Stollensystems im Damm selbst und in den Felswänden besichtigen. Der Guide, Bruce, wusste viel über die Talsperre im Art-Déco-Stil zu berichten und wies die Gruppe auf diverse interessante Details hin. Er erklärte uns, dass das Bauprojekt fünf Ziele verfolgt hatte:
- Energieproduktion (die Einkünfte aus dem Stromverkauf haben die Baukosten längst überstiegen und reichen selbst bei der heutigen reduzierten Leistung noch für die Unterhaltsarbeiten);
- Pufferung des Schmelzwassers, das der Colorado River im Frühling mit sich führt und das immer wieder zu Überschwemmungen im unteren Flusslauf geführt hatte;
- Regulation des Abflusses, um Dürreperioden in Arizona und Kalifornien abfedern zu können;
- Sicherstellung der Wasserversorgung von Städten und Ortschaften ringsum;
- Schaffung eines Sees für Freizeit und Erholung.
Wie alle Staudämme brachte der Bau aber auch ökologische Probleme mit sich, insbesondere was die Fischbestände angeht. Ausserdem verlor der Colorado River seine durch Geschiebe rötliche Farbe, die dem "Farbigen Fluss" seinen Namen gegeben haben. Aktuell ist das Wasser grünlich, aufgrund weiterer Talsperren auch im Oberlauf.


Über die Mike O'Callaghan–Pat Tillman Memorial Bridge, die seit 2010 den Verkehr aufnimmt, der sich bis dahin jeweils auf der Krone des Hoover Dam gestaut hatte, fuhr ich weiter nach Arizona. Nachdem schon auf dem Highway wenig Verkehr geherrscht hatte, war ich plötzlich völlig allein auf einem der verbliebenen Teilstücke der legendären Route 66, welche einst als wichtigste Ost-West-Verbindung des Landes Chicago mit Los Angeles verbunden hatte. Teilweise führt die historische Strasse schnurgerade von einem Horizont zum anderen, dann wiederum schlängelt sie sich durch die Landschaft. Die teils nur einspurige und indirekte Fernstrasse wurde vom Autobahnnetz abgelöst, zu welchem der General und spätere Präsident Dwight D. Eisenhower übrigens 1945 in Deutschland inspiriert worden war.


Erst nach Einbruch der Dunkelheit erreichte ich dann mein Glamping in der Nähe des Grand Canyon. Die Nacht wurde kalt, dafür spannte sich fernab der Lichtverschmutzung ein herrlicher Sternenhimmel über die Zeltstadt. Früh am nächsten Morgen fuhr ich los, um die sich im Laufe des Tages bildenden Warteschlangen an den Kassenhäuschen des Nationalparks zu vermeiden. Nach fünfeinhalb Monaten durfte ich wieder einmal meine "America the Beautiful"-Karte zücken, ein äusserst günstiger Jahrespass für alle National Parks und National Monuments in den USA (inklusive Territorien wie Puerto Rico und die Amerikanischen Jungferninseln).
Der Grand Canyon ist unfassbar beeindruckend, wenn man an seinem Rand steht. Besonders seine Grösse ist schier unvorstellbar: Er erstreckt sich in beide Richtungen, so weit das Auge reicht, insgesamt 446 km lang ist die Schlucht – und bei meinem Besuch war die Sicht aussergewöhnlich gut, wie mir gleich von mehreren Kennern beschieden wurde. Seit Millionen von Jahren gräbt sich der Colorado River durch alle Gesteinsschichten, bis zu 1'857 m unter dem Niveau des Plateaus ist er heute. Alle Nebenflüsse und Bäche tun dasselbe, sodass die Erosion eine bis zu 29 km breite, zerklüftete Schlucht geschaffen hat. Je nachdem, wie hart und erosionsbeständig die als bunte Farbbänder erkennbaren Schichten sind, fällt das Profil lokal steiler oder flacher aus. Fast zwei Milliarden Jahre Erdgeschichte entfalten sich vor den Augen des Betrachters!


Eine Vielzahl indigener Völker lebte und lebt noch heute im Grand Canyon, der einigen sogar als heilig gilt. Teile des Grand Canyon liegen auf den Gebieten dieser Nationen, und archäologische Spuren können an verschiedenen Orten angetroffen werden. Flurnamen zeugen immer wieder von den ursprünglichen Bewohnern. Weisse Siedler machten ihnen ihren Lebensraum immer wieder strittig, teilweise wurden hier auch Erze abgebaut. Im Nationalpark befand sich unter anderem eines der reichsten Uranvorkommen der USA, welches bis 1969 ausgebeutet wurde. Heute bereitet das radioaktiv verseuchte Gebiet einige Probleme, Besuchern ist das Betreten dieses Teils natürlich nicht gestattet. Seit 1979 gehört der Grand Canyon übrigens auch zum UNESCO-Weltnaturerbe.


Der Nationalpark ist einer von wenigen in den Staaten, der sogar mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar wäre: Im Grand Canyon Village befindet sich die Endstation einer Zuglinie, und die regelmässig fahrenden, gratis zur Verfügung stehenden Shuttlebusse ermöglichen es, eine Vielzahl von Aussichtspunkten und Wanderwegen zu erreichen. Ich wanderte einige kurze Strecken am Südrand der Schlucht und auf einem der fünf Wege, die den Fluss queren, stieg ich bis zum Cedar Ridge hinab. Erst dabei wurden mir die Dimensionen erst so richtig bewusst. Unterwegs begegnete ich einigen frechen Eichhörnchen, süssen Streifenhörnchen, Elchen (die Höhe von rund 2'400 m am Rand führt zu einem eher kühlen Klima), Maultieren (die für den Transport von Waren und Touristen dienen), Eidechsen, Raben und Steinadlern.


Ich blieb, entgegen meinem ursprünglichen Plan, bis zum Sonnenuntergang, und fuhr durch die Nacht nach Page. Bei meiner Ankunft stellte ich fest, dass in Arizona kurioserweise nur ein Teil (konkret die Navajo Nation im Nordosten des Bundesstaats) die Sommerzeit beachtet, während im Rest des Staats keine Umstellung stattfindet.
Auf dem Land jener Nation besuchte ich tags darauf den Upper Antelope Canyon. Dieser Slot Canyon wurde durch den Antelope Creek gebildet, der nur in den Sommermonaten nach Regenfällen Wasser führt. Durch Erosion des roten Sandsteins haben sich hier wunderschöne Formationen gebildet, die besonders um die Mittagszeit durch einfallende Lichtstrahlen besonders beleuchtet werden, sodass die Farben bestens zur Geltung kommen. Im Sommer erreichen die Lichtschächte in dieser A-förmigen Schlucht sogar den Boden. Bei Fotografen ist der Canyon sehr beliebt (auch wenn es bei den Lichtverhältnissen schwierig ist, die richtigen Einstellungen zu finden) und Benutzer von Windows 7 dürften sich an eines der Bilder von diesem Ort erinnern.



Starker Wind am Tag meines Besuchs blies beständig feinsten Sand über den Rand der Schlucht. Eigentlich hatte ich vorgehabt, auch den Lower Antelope Canyon zu besichtigen, aber wegen seiner gegen oben offenen V-Form und entsprechend grösserem Sandeintrag war jener geschlossen. Stattdessen bereitete ich einige Aspekte meiner weiteren Reise vor. Bei wesentlich angenehmerem Wetter stattete ich dann anderntags dem Horseshoe Bend einen Besuch ab. Hier windet sich der Colorado River durch einen 300 m tiefen Talmäander und bietet einen spektakulären Anblick.

P.S.: Eigentlich hätte dieser Beitrag bereits am Montag erscheinen sollen, ich bin aber, unter anderem weil ich aktuell nicht passiv in einem öffentlichen Verkehrsmittel mitreise, mit dem Sortieren der Fotos nicht hinterhergekommen: Innerhalb von vier Tagen schoss ich über tausend Bilder!
