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Puerto Iguazú & Córdoba

Puerto Iguazú & Córdoba

Samstag, Dezember 16, 2023

Dort, wo der Río Iguazú in den Río Paraná mündet, treffen sich drei Städte in drei Ländern: Ciudad del Este in Paraguay, Fos do Iguaçu in Brasilien und Puerto Iguazú in Argentinien.

Von Paraguay nach Argentinien gibt es in diesem Dreiländereck keine Brücke, weshalb ich meinen Pass gleich viermal vorzeigen musste. Mit Banknoten in fünf verschiedenen Währungen (Euro, US-Dollar, Guaraníes, Reaís und Argentinische Pesos) erreichte ich schliesslich wieder argentinischen Boden. Die galoppierende Inflation konnte ich kurz nach der Ankunft feststellen: Seit meinem beruflich bedingten Aufenthalt in Buenos Aires vor zwei Jahren sind die Preise um das rund Fünffache gestiegen, der inoffizielle "blaue" Dollarkurs hat ebenso kräftig mitgezogen. Die Wechselstuben nehmen in der Grenzregion seltsamerweise nur makellose Scheine ausländischer Währungen entgegen, nicht einmal kleine Schmutzflecken am Rand werden toleriert. Den SBB sei Dank hatte ich zum Glück einige druckfrische Noten, die der peniblen Prüfung dennoch standhielten.

Mündung des Río Iguazú in den Río Paraná

Das Aufeinandertreffen der drei Länder wird richtiggehend zelebriert, an jedem der drei Ufer steht ein in den jeweiligen Landesfarben bemalter Betonblock inmitten einer Aussichtsplattform. Aufgrund der geografischen Begebenheiten sind die argentinische und brasilianische Seite deutlich besser besucht als die paraguayische. Nach Ciudad del Este kommen vor allem Einkaufstouristen aus Brasilien, weil das Land horrende Zölle auf importierte Waren erhebt. Brasilien und Argentinien hingegen teilen sich eines der in einer Online-Abstimmung erkorenen "Sieben Weltwunder der Natur": Die Iguazú-Fälle (cataratas del Iguazú bzw. cataratas do Iguaçu). Der Name des Flusses stammt aus der Sprache der Guaraní und setzt sich aus den Wörtern "y" (Wasser) und "guazú" (gross) zusammen.

Dreiländereck PY, AR, BR

Im Hostel traf ich eine bunte Gruppe junger Leute, von denen die meisten einige Monate durch Südamerika reisten. Neuankömmlinge erhielten wertvolle Informationen und Ratschläge für den Besuch der Wasserfälle, beispielsweise, dass sich früh aufstehen nicht lohnt, wenn man nicht beide Ufer an einem Tag durchhecheln möchte. Ich schloss mich mit Ilja aus den Niederlanden und Frances aus Australien zusammen, um am ersten Tag die argentinische und am zweiten die brasilianische Seite zu erkunden.

Über eine Länge von 2.7 km verteilen sich 275 Wasserfälle. In beiden Ländern sind Nationalparks eingerichtet worden, um die einzigartige Landschaft und Artenvielfalt zu erhalten. Auf Gehwegen mit "Einbahnverkehr" können spektakuläre Ausblicke auf die Fälle genossen werden. Es wirkt fast irreal, so viel Wasser auf einmal die Felsen herunterstürzen zu sehen. Im Durchschnitt sind es 1'746 m³/s, der höchste je gemessene Wert liegt bei unglaublichen 45'700 m³/s. Die Fallhöhe ist mit 64 bis 82 m ebenso beeindruckend und jeder einzelne Wasserfall alleine wäre einen Besuch wert.

Circuito superior
Circuito superior
Circuito superior

Wir wanderten staunend umher, ungläubig und verzückt. Mehr als einmal dachte ich für mich, es sei fast, wie wenn ein Künstler eine Landschaft für den Umschlag eines Fantasy-Romans gezeichnet und dabei massiv übertrieben hätte.

Circuito inferior
Circuito inferior

Und damit nicht genug, auf dem Rückweg zum Ausgangspunkt der Runde konnten wir, noch völlig trunken von den Eindrücken, in bunten Farben schillernde Schmetterlinge beobachten. Das Mittagessen mussten wir vor Äffchen und Leguanen beschützen, auch nicht gerade eine alltägliche Erfahrung. Unterwegs sahen wir eine hübsch gestreifte Schlange und aus der Ferne sogar ein Coatí, einen südamerikanischen Nasenbären. Im Nationalpark sollen auch Tukane und Jaguare heimisch sein, die wir aber nur in Souvenirshops und letztere auf den Banknoten der beiden Länder sahen.

Schmetterling
Schlange

Auch die brasilianische Seite geizt nicht mit fantastischen Ausblicken – fast 80 % der Fälle sind auf argentinischem Boden, sodass das ganze Panorama sich dem Betrachter zeigt. Da bei einem Hochwasser vor Kurzem einige Stege auf der argentinischen Seite weggerissen worden waren, konnten wir die "Garganta del Diablo", den "Teufelsschlund", nicht von oben betrachten. Es handelt sich um eine enge Schlucht, in welche etwa die Hälfte der Fälle von beiden Seiten hineinstürzen. Auf der brasilianischen Seite können sie von einer Plattform beobachtet werden, die sich direkt auf der Stufe einer Reihe von Wasserfallen befindet. Gesehen haben wir vor allem viel Sprühnebel, der bei diesen Wassermassen unweigerlich entsteht. 

Brasilianische Seite, links Garganta del Diablo
Brasilianische Seite
Schmetterling

Das Wasser des Flusses war bis vor rund vierzig Jahren noch klar, die heutige Braunfärbung ist auf Abholzung des Urwalds flussaufwärts und die damit einhergehende stärkere Erosion zurückzuführen. In den Tagen vor unserem Besuch hatte es zudem stark geregnet, daher war das Volumen des Flusses und die transportierte Sedimentmenge gegenüber dem Normalzustand noch deutlich vergrössert.

Brasilianische Seite
Brasilianische Seite mit viel Sprühnebel

Wieder in Puerto Iguazú, bereitete ich mich für die rund 26 Stunden dauernde Busfahrt nach Córdoba vor. Diese führte mich dem Río Paraná entlang bis Santa Fe und dann schnurgerade westwärts zur zweitgrössten Stadt des Landes. Irgendwo im Nirgendwo fanden immer wieder Polizeikontrollen statt, an fixen Posten und durch mobiles Personal. Unterwegs wechselte die Landschaft von Waldgebiet im nördlichen Zipfel der Provinz Misiones zu den weiten Ebenen der Pampa und des Gran Chaco. Ursprünglich handelt es sich beim Chaco um einen Trockenwald, wobei allerdings durch Rodung grosse Landwirtschaftsflächen entstanden sind und – häufig illegal – noch immer entstehen. Dadurch wird leider der Lebensraum nicht nur der ansässigen Fauna, sondern auch der nomadisch lebenden Indigenen bedroht, die sich vor allem durch Jagd, Fischerei und Sammeln ernähren.

Neben der Weite des Landes und dem speziellen Licht, welche das topfebene Grasland am Nachmittag und beim Sonnenuntergang erhellte, wird mir vor allem das heftige Gewitter in Erinnerung bleiben, das in der Nacht tobte. Während der Sommermonate regnet es im Gran Chaco häufig intensiv, während die Wintermonate sehr trocken sind.

Pampa

Córdoba de la Nueva Andalucía liegt am Rand des Gran Chaco, die Vorstädte berühren die Ausläufer des Gebirges Sierra de Córdoba. Im Volksmund wird die Stadt auch "La Docta", "Die Gelehrte" , genannt, wegen der hier ansässigen Universitäten und Hochschulen. Im Jesuitenbezirk, der heute UNESCO-Weltkulturerbe ist, wurde die zweitälteste Universität des Kontinents 1613 gegründet, heute wohnen rund 200'000 Studenten in der Stadt. Gerade jetzt, zum Ende des Studienjahrs, sieht man in den Strassen fröhlich hupende Pick-ups, auf deren Ladefläche Studienabgänger*innen ihren Abschluss feiern. 

Manzana jesuítica
Studienabgängerinnen

1573 gegründet, war Córdoba bis zur Schaffung des Vizekönigreichs des Río de la Plata 1776 die bedeutendste Stadt Argentiniens, einerseits wegen der strategischen Lage entlang eines Silber-Handelswegs und andererseits wegen des fruchtbaren Bodens in der Umgebung. Eine Reihe von Bauten im kolonialen Barockstil zeugt von dieser Vergangenheit, aber auch heute noch ist die Stadt das kulturelle und industrielle Zentrum Zentralargentiniens. Hier sind unter anderem die Automobilindustrie und das Flugzeugwerk Fábrica Argentina de Aviones angesiedelt, die von der Nähe zur technischen Universität profitiert. 

Auch andere Baustile sind im Zentrum vertreten, so ist beispielsweise die Fassade der Kathedrale im klassizistischen Stil gehalten, während innen prunkvollster Barock mit viel Gold die Besucher*innen beinahe erdrückt. Die Franziskanerkirche wurde im letzten Jahrhundert im neogotischen Stil erbaut und besticht durch seine bunte Fassade. 

Kathedrale von Córdoba
Inneres der Kathedrale
Iglesia Capuchinos

Ein beliebtes Naherholungsgebiet ist der Parque Sarmiento, der grösste Park der Stadt. Neben Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen, bietet der Park eine Reihe von Kunstwerken und Installationen, wie beispielsweise die 200 Ringe, welche auf der Plaza del Bicentenario die Revolution von 1810 feiern, welche 1816 in der Unabhängigkeit von Spanien mündere. 

Plaza del Bicentenario

Ich durfte erfreut feststellen, dass die Jacaranda-Bäume, die mich schon damals in Buenos Aires so fasziniert hatten, hier noch ihre prächtigen lila Blüten zeigten. 

Jacaranda-Blüten
Ameisen mit Jacaranda-Blüte
René
hat geschrieben
Samstag, Dezember 16, 2023
Spannende Einblicke in eine gewaltige Landschaft und Zivilisation.
Christiane
hat geschrieben
Samstag, Dezember 16, 2023
Faszinierend
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