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Die Dominikanische Republik verliess ich gerade, als ein Sturm die Insel Hispaniola traf. In den folgenden Tagen forderten die heftigen Regenfälle landesweit mindestens 21 Todesopfer – eine traurige Bilanz, die mich betroffen machte und mit einem mulmigen Gefühl zurückliess.
Der Präsident Luis Abinader nannte es die schwersten Regenfälle, die es in der Geschichte der Dominikanischen Republik je gegeben hatte, und verwies auf den Klimawandel. Mich erschreckte einerseits, dass derart starke Regenfälle auftreten und so viel Leid und Zerstörung bringen konnten, andererseits war ein egoistischer Teil von mir dankbar, dass ich rechtzeitig aus der Gefahrenzone ausgereist war. Vom verheerenden Unwetter erfuhr ich erst zwei Tage später, als ich mich bereits in San Juan befand. Bloss 43 Flugminuten entfernt war vom Sturm und seinen Gewitterzellen nichts zu spüren. Im Gegenteil, am Sonntag herrschte eitel Sonnenschein, was den Hauptort der "Isla del Encanto" (Insel der Verzauberung) ins beste Licht rückte.
Auf seiner zweiten Entdeckungsfahrt benannte Kolumbus die Insel zu Ehren Johannes des Täufers "San Juan Bautista" und den natürlichen Hafen "Ciudad de Puerto Rico", Stadt des reichen Hafens. Im Laufe der Zeit drehten allerdings Händler und Seefahrer die Ortsbezeichnungen um, sodass die gesamte Insel heute als Puerto Rico bekannt ist (zum gleichnamigen US-amerikanischen Territorium kommen ausserdem die Spanischen Jungferninseln dazu). Die Einwohner nennen die Insel zuweilen nach dem ursprünglichen arawakischen Namen auch Borikén oder Borinquén mit entsprechend abgeleiteten Demonymen für sich selbst.


Als erste grössere Insel, die nach der strapazenreichen Fahrt über den Atlantik Frischwasser, Essen und die Möglichkeit von Reparaturen bot, schwang sich San Juan rasch zum Schlüssel zur Kontrolle der Karibik auf. Die spanischen Monarchen erkannten rasch, dass durch den Besitz des Hafens und mithilfe von dort stationierten Kriegsschiffen ihre mit Reichtümern Kubas und des amerikanischen Festlands beladenen Konvois auf dem Rückweg nach Europa gegen Freibeuter geschützt werden konnten. Besonders nachdem 1625 eine niederländische Flotte die Verteidigungsanlagen am Eingang zur geschützen Bucht umgangen und die Stadt in Brand gesteckt hatte, wurde San Juan mit hohen Mauern umgeben und zum am stärksten befestigten Ort der Neuen Welt ausgebaut. Die Castillos San Felipe del Morro und San Cristóbal sowie das Fort San Juan de la Cruz gehören heute zum UNESCO-Weltkulturerbe, ebenso wie ein grosser Teil der Stadtmauern und die Fortaleza. Letztere ist der älteste Verteidigungsbau der Stadt und seit 1533 Sitz der Gouverneure, welche zunächst von Spanien eingesetzt, nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 von Washington ernannt und seit 1948 demokratisch gewählt wurden bzw. werden.



Nicht nur die imposanten Festungsbauten, auch die Altstadt von San Juan ist sehr sehenswert. Die Gebäude sind bunt gestrichen, die Strassen breit, sauber und von Katzen bevölkert. Stellenweise ist die Fahrbahn noch mit den Schlackesteinen aus der Eisenherstellung gepflastert, welche die spanischen Galeonen in Europa als Ballast geladen hatten; auf dem Rückweg waren sie schwer mit Silber beladen und benötigten die Steine nicht mehr. Jahrhundertelang der Witterung ausgesetzt, nahmen die Steine eine charakteristische bläuliche Farbe an.


Nach so viel Geschichte nahm ich an meinem zweiten Tag an einer entspannten Schnorcheltour am Escambrón Beach teil. Der Tourguide vermittelte uns viel Wissen zur lokalen Flora und Fauna und wies uns auf kleine Details hin. Ich konnte Dory zwischen den Fischen ausmachen, nach Nemo suchte ich aber leider vergebens :( Dafür konnte ich Schildkröten aus nächster Nähe beim Fressen und Luftholen beobachten. Besonders beim Schwimmen strahlen diese spannenden Tiere eine bewundernswerte Ruhe und Eleganz aus.

Am eher verregneten Dienstag besuchte ich die Kathedrale und das Museo del Mar, eine kuriose Sammlung von Memorabilien, Objekten und Artefakten von Schiffen verschiedener Epochen sowie Schiffsmodellen und Buddelschiffen. Ein besonders schönes zeigt die USS Constitution, welche ich ja in Boston besichtigt hatte. Manche der Gegenstände stammen aus diversen Wracks, inklusive Echtheitszertifikat. Hier befindet sich zudem die weltweit grösste Sammlung von Rettungsringen, unter anderem gibt es auch diejenigen der legendären Cunard-Ozeandampfer Mauretania und RMS Queen Mary zu bestaunen.


Meinen letzten Tag verbrachte ich im El Yunque National Forest, einem Regenwald im Landesinneren. Der Anbieter hatte mit einer Tour abseits der ausgetretenen Pfade geworben, was vielleicht doch ein allzu vollmundiges Versprechen gewesen war: Grosse Gruppen mehrerer Anbieter verstopften die schlammigen Wege und drängten sich an den verschiedenen "Attraktionen". Diese bestanden aus einer natürlichen Wasserrutsche, einem Sprungfelsen und einem Seil, mit dem man sich in den Fluss schwingen konnte. Auch wenn es nicht gerade das war, was ich mir aufgrund der Tourbeschreibung vorgestellt hatte, war es dank der vielen Erklärungen zum Regenwald, die der Führer abgab, ein interessantes Erlebnis.


Am heutigen Thanksgiving Day werde ich nach Dominica weiterreisen und hoffe, es klappt alles an diesem in den USA wichtigen Feiertag.
