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Ein Fernbus brachte mich über Nacht nach San Juan, den Hauptort der gleichnamigen Provinz. Ich erwachte glücklicherweise gerade noch rechtzeitig, bevor der Bus in Richtung Mendoza weiterfuhr.
Die Stadt wurde als eine der ältesten im heutigen Argentinien 1562 von Chile her gegründet, damals unter dem Namen San Juan de la Frontera. Unbescheiden hatte der Gründer, Juan Jufré de Loayza y Monteza, den Ort nach seinem eigenen Namenspatron benannt. Die Stadt entstand nahe eines Dorfes des Volks der Huarpe in einer Oase; rundum ist das Land trocken und steppenartig. Es herrscht Wüstenklima. Aufgrund eines Hochwassers des Río San Juan 1793 wurde die Stadt an die heutige Stelle verlegt. In einer seismisch aktiven Zone gelegen, wo die Nazca-Platte an der südamerikanischen vorbeischrammt, wurde die Region 1944 durch ein heftiges Erdbeben erschüttert, welches über Zehntausend Menschenleben forderte und die aus Lehmziegeln gebaute Stadt fast vollständig zerstörte. Beim Wiederaufbau wurden erbebensichere Bautechniken angewendet und die Stadt mit breiten Strassen neu entworfen, sodass es eine der modernsten Argentiniens ist. Beiderseits wurden Bürgersteige und eingedohlte Kanäle eingeplant, welche Schatten spendende Bäume bewässern. Am frühen Nachmittag sind die Stassen menschenleer, es wird Siesta gemacht. Am Abend sind sie dafür umso lebendiger.

Auf den Plätzen und Grünflächen der Stadt wird der Helden und wichtigen Daten der Republik gedacht – die Fremdenführerin in Córdoba hatte uns geraten, falls wir uns je in einem grösseren argentinischen Ort verlaufen sollten, nach der Plaza San Martín zu fragen, weil diese immer prominent im Zentrum sei. Auch Plaza [25 de] Mayo oder Plaza España können helfen. Häufig gibt es auch ein Monument für die im Krieg um die Malwinen (Falklandinseln) gefallenen Soldaten. So auch hier, bewacht von einem ausrangierten Kampfjet, einem gepanzerten Fahrzeug und einem Schiffsgeschütz.


Gleich zwei Nationalhelden werden hier ausserdem mit je einem Museum geehrt: Erstens der General José de San Martín, der in jungen Jahren als Teil spanischer Heere unter anderem die Truppen Napoleons bekämpft hatte und nach der Rückeroberung Madrids in die Heimat zurückgekehrt war, um Argentinien, Chile und Peru zu befreien. Seinen Marsch über die Anden plante er in einer Zelle des Dominikanerklosters von San Juan, die das Erdbeben von 1944 unbeschadet überstand. Zweitens den Staatsmann, zweiten Präsidenten des Landes und Schriftsteller Domingo Faustino Sarmiento, welcher in einem einfachen Haus im Zentrum geboren wurde. Er führte das im Grundsatz heute noch gültige Schulsystem ein, welches die Integration der vielen Zuwanderer und Chancengleichheit für alle zum Ziel hatte. Mehrere Universitätsgründungen und wissenschaftliche Einrichtungen gehen auf seine Initiative zurück, ausserdem sorgte er mit dem Aufbau eines Telegrafennetzwerks und der Schaffung von Transportwegen für ein Zusammengehörigkeitsgefühl in der jungen Republik.

Gekommen war ich aber der Natur wegen: Im Nordosten der Provinz und im Südwesten von La Rioja befindet sich ein weiteres UNESCO-Weltnaturerbe: Der Provinzpark Ischigualasto und der Nationalpark Talampaya. Mit meinem (persönlichen!) Guide und Fahrer Dante durfte ich wieder einmal erleben, wie riesig und dünn besiedelt das Land ist. Wir fuhren hunderte von Kilometern durch trockene, staubige Landschaft, die mit dornigen Büschen bestanden ist. Trotz der Hitze begegneten wir einer Handvoll Wagemutiger, welche mit Tourenvelos unterwegs waren, in dieser Gegend gewiss kein ungefährliches Abenteuer. Unterwegs hatten wir viel Zeit, uns über Argentinien und seine diversen Probleme zu unterhalten – unter anderem auch die Einstellung des mit englischer Hilfe erbauten Eisenbahnnetzes aufgrund mangelnder Rentabilität.

In den beiden Parks liegen als paläontologisch-geologische Besonderheit am einzigen Ort der Welt alle sieben Sedimentschichten aus der Triaszeit frei, die bei der Faltung der Anden über jüngere Gesteinsschichten geschoben wurden und so an die Oberfläche gelangten. In allen Schichten mit Ausnahme der ältesten wurden 210 bis 250 Millionen Jahre alte Fossile von Tieren und Pflanzen entdeckt, unter anderem auch die ältesten bekannten Dinosaurier und versteinertes Holz. Leider war das lokale Museum bei meinem Besuch allerdings geschlossen.
"Talampaya" ist ein Wort aus der Sprache der Indigenen, das möglicherweise "Trockener Fluss Tala" bedeutet und den Ort gut beschreibt: Den grössten Teil des Jahres ist diese Schlucht trocken und wird seit Urzeiten als Weg genutzt – im ganzen Jaher fallen insgesamt 150 mm Regen, allerdings sehr konzentriert als heftige sommerliche Regenschauer, die ein paar Stunden lang einen reissenden Fluss nähren. Zwischen rund 600 vor und 1180 nach Christus hinterliessen Menschen am Eingang zum Tal Petroglyphen: In den Stein gekratzte Figuren, deren Interpretation heute nicht ganz einfach ist. Sie stellen Menschen und Tiere dar, zeigen aber auch Figuren, die wahrscheinlich religiöse Bedeutung hatten.

Aufgrund von Erosion haben sich aus dem durch Eisenoxide rot gefärbten Sedimentgestein verschiedene Türme und Formationen aus den bis zu 150 m hohen Felswänden gelöst, welche aufgrund ihres Aussehens treffende Namen erhielten, wie zum Beispiel "Der Kamin", "Die Kathedrale" oder "Der Mönch". Eine Formation sieht ein wenig aus wie ein Dromedar mit Reiter und wird "El Rey Mago" genannt – in manchen Städten Spaniens reiten die Heiligen Drei Könige jeweils am 6. Januar auf Kamelen in die Städte ein.



Nicht nur aus geologischer Sicht ist der Nationalpark überwältigend, auch Flora und Fauna sind völlig ungewohnt. Neben der im Park anzutreffenden Wüstenvegetation befindet sich im Tal eine kleine Oase, der "Botanische Garten", wo ein Aquifer sich dicht unter der Oberfläche befindet. Über dem Tal kreisten Kondore, grasend oder im Schatten lagernd konnten wir Guanakos, Pampasfüchse und Grosse Pampashasen beobachten. Die meiste Zeit unter der Erde lebt zudem ein Gürteltier, ausserdem hat es hier unter anderem Nandus, Pumas und zahlreiche Vogelarten.



Ich übernachtete in San Augustín del Valle Fértil in einem Hotel, das malerisch über einem Stause gelegen ist, und genoss das warme Wasser, die letzten Sonnenstrahlen des Tages und die Ruhe des Orts.

Am nächsten Tag ging es in den Parque Provincial Ischigualasto, der nochmals völlig neue Eindrücke bot. Der 40 km lange Rundkurs wurde im Konvoi befahren und Dante erklärte mir, dass die insgesamt drei Fahrzeuge lächerlich wenig seien – in der Hauptsaison im Winter sind es gleich Dutzende! Jetzt im Sommer können die Temperaturen dafür auf 45 °C steigen, am Morgen und mit Bewölkung war es allerdings sehr angenehm. Der Führer des Nationalparks, Marco, fuhr gleich bei uns mit und liess uns Besucher an seinem Wissen über die Region teilhaben. "Ischigualasto" bedeutet "Tal ohne Leben" und zeigt, wie lebensfeindlich es wirkt – der etwas geläufigere Name ist "Valle de la Luna", "Mondtal", und geht darauf zurück, dass das Tal in den Nächten um den Vollmond das Licht derart reflektierte, dass eine Begehung möglich war, sodass man bei kühleren Temperaturen reisen konnte. Heutzutage gibt es um diese Zeitpunkte herum auch nächtliche Führungen zu Fuss.
Der erste Stopp erfolgte auf einem Aussichtspunkt über dem "Valle Pintado" ("Bemaltes Tal"). Durch Erosion wurden verschiedenfarbige Mineralien freigelegt, wobei Eisenoxid rötliche und Kupfersulfat grünliche Bänder bilden.

Einen zweiten Halt legten wir bei der Formation "Cancha de Bochas" ("Bocciabahn"), wo kugelförmige Silikate im Sand liegen. Sie wurden bei hohen Drücken und Temperaturen gebildet, teilweise sind dabei auch benachbarte Kugeln zusammengewachsen. Hier befindet sich überdies eine der bekanntesten Formationen, die "Sphinx".



Zum Abschluss besuchten wir noch einmal skulpturartige Gesteinsformationen, die durch Schwefelverbindungen gelblich gefärbt und durch Erosion geformt sind. Bis vor Kurzem zeigte das "U-Boot" noch zwei Türme, einer davon ist allerdings inzwischen eingestürzt, wie es bei allen Formationen in Zukunft irgendwann zu erwarten ist. Am Fuss der mächtigen jüngsten, rötlichen Schicht fuhren wir zurück zum Eingang des Parks und von dort aus über die Panoramastrecke der Nationalstrasse 150 zurück nach San Juan.

