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Ushuaia

Ushuaia

Dienstag, Januar 23, 2024

Nach einer weiteren Nacht in Puerto Natales bestieg ich frühmorgens den Bus, um zur Südspitze Argentiniens zu gelangen: Tierra del Fuego, Feuerland.

Über die Ruta del Fin del Mundo ging es bis zu einer Tankstelle nördlich von Punta Arenas, welche als Umsteigeplatz diente. Zum Glück wartete der Anschlussbus bereits, sodass ich nicht lange im steifen Wind ausharren musste. Wir fuhren zunächst nach Punta Delgada, wo an der engsten Stelle der Magellanstrasse eine Fährverbindung besteht. Der portugiesische Seefahrer Fernão de Magalhães (Ferdinand Magellan) suchte in spanischen Diensten mit einer Armada von fünf Schiffen und 246 Mann die südamerikanische Küste ab, um einen Seeweg zu den Molukken zu finden, der nicht durch die portugiesische Welthälfte führen sollte. Nach mehreren Monaten und einer Überwinterung in Patagonien fand er schliesslich am 1. November 1520 (d.h. an Allerheiligen) die heute noch wichtigste natürliche Passage zwischen Atlantik und Pazifik und gab ihr den Namen "Estrecho de Todos los Santos" (Strasse aller Heiligen). Ihm zu Ehren taufte Kaiser Karl V. sie allerdings um, nachdem die überlebenden 18 Seefahrer seiner Expedition mit einem einzigen verbleibenden Schiff die erste Weltumsegelung der Geschichte vollbracht und von der Entdeckung berichtet hatten. Vor der Ankunft der Europäer hatten freilich die indigenen Kawésqar die Meeresstrasse bereits seit über 13'000 Jahren mit ihren Kanus befahren. Sie liegt vor Eisbergen und Seeeis aus der Antarktis geschützt im Landesinnern, im Gegensatz zur stürmischen, nach dem britischen Freibeuter benannten Drakestrasse, die auf offener See ums Kap Hoorn herumführt.

Fähre über die Magellanstrasse

Südlich der Magellanstrasse liegt die Isla Grande de Tierra del Fuego, welche ihren Namen dem Umstand verdankt, dass Magellan nachts die Feuer der dort lebenden Selk'nam gesehen hat. Während sich die Magellanstrasse gänzlich in Chile befindet, ist die Insel entlang der Linie 68.6° West geteilt. Mitten im Nirgendwo der windigen Ödnis der patagonischen Tundra befindet sich daher ein Grenzübergang, wo alle Reisenden zweimal aussteigen und ihre Pässe vorweisen müssen. Danach geht der Weg auf argentinischem Boden weiter, bis im Süden der Insel wieder die bewaldeten Anden erreicht wurden.

Laguna Fagnago

Nach rund zwölfeinhalb Stunden Fahrt kam ich in Ushuaia an, am "Ende der Welt und Beginn von allem". Die Stadt mit rund 83'000 Bewohnern liegt am Nordufer des Beagle-Kanals und bezeichnet sich touristenwirksam gerne als die südlichste der Welt. Seit einer Gesetzesänderung 2019 sieht Chile das etwas über 2'000 Einwohner zählende Puerto Williams am südlichen Ufer allerdings als Stadt an und macht Ushuaia ebendiesen Titel streitig. Der Beagle-Kanal selbst wurde, aus europäischer Sicht, erst 1830 durch die HMS Beagle entdeckt, als sie auf ihrer ersten Fahrt hydrografische Vermessungen durchführte. Bei ihrer zweiten Durchfahrt durch die Wasserstrasse 1833 sah ihr wohl berühmtester Passagier, Charles Darwin, hier zum ersten Mal Gletscher und war beeindruckt von deren Blautönen. Der trotz seines Namens natürlich entstandene Beagle-Kanal verbindet auf einer Länge von 280 km Atlantik und Pazifik, wobei die Grenzziehung zwischen Argentinien und Chile derart ist, dass beide Länder den Atlantik über eigene Hoheitsgewässer erreichen können.

Hafen von Ushuaia

Als erstes legte ich in Ushuaia einen Ruhetag ein, wusch meine Kleider, erledigte Besorgungen und organisierte weitere Teile der Reise. Von Ushuaia legen Kreuzfahrtschiffe in Richtung des von Argentinien reklamierten Teils der Antarktika ab, ich hatte mich allerdings bereits im Vorfeld zu dieser Reise gegen einen touristischen Besuch jenes fragilen Ökosystems entschieden. Stattdessen machte ich, zusammen mit Martin und Tanina aus Paris, die ich vom Trek im Parque Nacional Torres del Paine her kannte, einen Ausflug zur Isla Martillo. Ihre Form erinnert tatsächlich an einen Hammer, meist wird sie aber einfach Pingüinera genannt, weil hier Kolonien von Pinguinen nisten.

Per Bus fuhren wir nach Puerto Almanza, der südlichsten Siedlung Argentiniens, wo wir auf ein Schlauchboot umstiegen. Im Gegensatz zu den überfüllten Katamaranen, die man in Ushuaia besteigen kann, bot es lediglich Platz für 16 Passagiere und kurvte lässig im flachen Wasser zwischen den kleinen Inseln herum. Bei der Isla Martillo angekommen, schaltete der Kapitän den Motor aus und liess das Boot direkt auf den Strand gleiten. Aussteigen war nicht erlaubt, aber das wäre gewiss auch kontraproduktiv gewesen: Die Pinguine näherten sich neugierig dem Bug und bestaunten sowohl Fahrzeug als auch Insassen. Zuweilen gingen ganze Gruppen ins Wasser, tauchten ab und schossen umher, wobei sie wie kleine Torpedos eine Blasenspur hinter sich herzogen. Mit grossem Geplatsche erreichten sie wieder das Land und schossen aus den Wellen, um dann mit ausgestreckten Flügeln herumzuwatscheln. So flink die Tiere im Wasser sind, so unbeholfen und tollpatschig wirken sie an Land.

Neugierige Pinguine
Pinguine am ind im Wasser

Hauptsächlich zwei Pinguinarten lassen sich auf der Pingüinera beobachten: Eselspinguine mit orangeroten Schnäbeln, welche ganzjährig dort leben, und Magellanpinguine, elegant ganz in schwarz und weiss, welche nur als Sommerfrischler kommen, teilweise von weit her, von den Küsten Perus oder Brasiliens. Mit viel Glück lassen sich manchmal auch die scheuen Königspinguine auf der Insel beobachten, die erst seit wenigen Jahren auf das Eiland aufmerksam geworden sind.

Magellan- und Eselspinguine
Magellanpinguine

Eigentlich hatten wir am Nachmittag vorgehabt, eine weitere Tour in einem kleinen Boot zu machen, der Wind liess die Fahrt aber nicht zu. Daher besuchte ich stattdessen für eine kurze Wanderung den Parque Nacional Tierra del Fuego und genoss die Sonne, zusammen mit einem Pärchen aus Bayern und einem aus Buenos Aires, die ich im Bus getroffen hatte.

PN Tierra del Fuego
PN Tierra del Fuego

Auch am Folgetag blieb der Hafen geschlossen, sodass ich die Seelöwenkolonie und den (vermeintlich) von Jules Verne beschriebenen Leuchtturm am Ende der Welt, Les Éclaireurs, nicht zu Gesicht bekam. Stattdessen machte ich am Nachmittag das, was mir als Kind gerne als "Wanderspaziergang" verkauft worden war, und stieg zum Glaciar Martial hoch. Der Gletscher an sich ist wenig beeindruckend, aber der Weg dorthin bietet schöne Ausblicke auf Ushuaia und den Beagle-Kanal. 

Glaciar Martial
Teehaus

Zum Abschluss ass ich mit Martin und Tanina in einem der typischen argentinischen Grillrestaurants zu Abend. Fleisch ist hier unfassbar günstig (besonders für jene, die sich Schweizer Preise gewohnt sind), wird auf offenem Feuer gebraten und kommt in grosszügigen Portionen auf den Tisch. 

Asador

Heute verlasse ich Argentinien endgültig wieder in Richtung Chile und werde daher auch nicht mehr mit den hübschen Banknoten bezahlen können. Bis auf die 10er- und die erst letztes Jahr eingeführte 2'000er-Note zeigen die Scheine die Nationaltiere, wobei auf der Rückseite der Lebensraum und die Verbreitung innerhalb Argentiniens abgebildet sind. Zwei süsse Details sind auf der einen Seite die jeweiligen Fussabdrücke, auf der anderen die comichafte Zeichnung der Jungtiere am linken unteren Bildrand.

Vorderseiten der Banknoten
Rückseiten der Banknoten

Die Banknoten tragen aber auch eine politische Botschaft: Zusätzlich zum international anerkannten Staatsgebiet zeigen die Scheine auch die argentinischen Ansprüche in der Antarktis, auf die Inseln des Südatlantiks und auf die Falklandinseln. Letztere waren auf den älteren 50er-Noten sogar noch deutlich weniger subtil dargestellt. Gerade in Ushuaia als Hauptort der Provinz, welche auch die von Grossbritannien besetzten Inseln sowie die Antarktika umfasst, sieht man noch mehr Graffiti, Aufkleber und Tafeln mit Varianten der Aufschrift "Las Malvinas son argentinas" als sonst üblich. Teilweise wird das hier noch ergänzt mit "y fueguinas" (Die Falklandinseln sind argentinisch und feuerländisch). 

Alte 50er-Note

So interessant sie sind, so mühsam ist die Bezahlung mit diesen Scheinen. Die Inflation im Land beträgt 160 %, und die Menükarten der Restaurants kommen häufig laminiert und mit überklebten oder mit Filzstift geschriebenen Preisen daher. Es scheint fast so, als hinke die Nationalbank bei der Herausgabe von grösseren Denominationen der Entwicklung weit hinterher: Selbst Beträge von mehreren Zehntausend Pesos müssen mit den Tausendern oder den selteneren Zweitausendern beglichen werden, weshalb viele Geschäfte und Hostels sich Geldzählmaschinen angeschafft haben. 

Besonders freitagnachmittags, wenn die Löhne ausbezahlt werden, bilden sich riesige Schlangen geduldig Wartender an den Supermarktkassen und vor den Banken: Die Leute wollen ihr Geld ausgeben oder in Hartwährungen umtauschen, bevor es an Wert verliert. In allen grösseren Städten gibt es zahllose Geldwechsler, welche Touristen für grosse Dollarscheine einen besseren Kurs gewähren als für kleine, da sie lediglich der Wertanlage dienen. Überhaupt gibt es eine Vielzahl an Dollarkursen, die Präsident Milei in einem ersten Schritt vereinheitlichen möchte; erklärtes Ziel des Mannes mit der Motorsäge ist allerdings die Abschafgung des argentinischen Peso. Vor dessen Amtsantritt war der offizielle Wechselkurs nicht einmal halb so hoch wie der inoffizielle "dolar blue", den die Wechselstuben verwenden, zwei Tage danach fand eine heftige Abwertung durch die Nationalbank statt, sodass der Unterschied inzwischen deutlich geringer ausfällt. 

Christiane
hat geschrieben
Sonntag, Januar 28, 2024
Das alles klingt einfach cool!
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