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Utah

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Donnerstag, Mai 16, 2024

Eine Autofahrt bei bestem Wetter brachte mich durch Wüste und Prärie über die State Line nach Utah, immer begleitet von rostroten Felsen und Bergen.

Während der ganzen Zeit befand ich mich im Reservat der Navajo Nation, welches der bevölkerungsreichste indigene Stamm in den Vereinigten Staaten ist. Auch wenn ihr Reservat heute das grösste im Land ist, umfasst das Gebiet natürlich nur einen Bruchteil dessen, was sie einst ihre Heimat nannten. Vor der Ankunft der Europäer lebten die Navajo (Eigenbezeichnung Diné, "Menschenvolk") in der Gegend und betrieben Ackerbau, was möglich ist, weil der poröse Sandstein unterirdische Aquifere beherbergt. Von den spanischen Kolonisten erhandelten sie sich früh Pferde und Schafe, die fortan ihre Kultur prägen sollten – auch heute noch sind Schafe nicht nur Familienmitglieder, sondern auch ein Zeichen von Wohlstand. Die aus Schafwolle gewebten Kleider und Tücher sind seit Langem eine wichtige Einnahmequelle. Daneben verdienen sich viele ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung und dem Verkauf von Schmuck, Sandegemälden und Töpferarbeiten. In den letzten Jahrzehnten ist auch der Tourismus ein immer bedeutenderer Wirtschaftszweig geworden.

Navajo-Mural

Mein erster Stopp im "Beehive State" Utah war denn auch der Monument Valley Navajo Tribal Park. Hier hat der Zahn der Zeit aus rotem Sandstein nacheinander freistehende Tafelberge, Spitzkuppen, Felstürme und Felsnadeln geschaffen. Mit ihrem "Podest" aus einer weichen, erosionsanfälligen Schicht wirken sie tatsächlich wie Denkmäler, welche die Natur dort zurückgelassen hat. Bekannt geworden ist Monument Valley besonders durch Wildwestfilme; ein Aussichtspunkt soll der Lieblingsort von John Wayne gewesen sein, der in mehreren hier gedrehten Streifen die Hauptrolle spielte. Unter anderem dürfte auch der bekannte, ebenfalls hier gefilmte Western "Spiel mir das Lied vom Tod" das Bild vom Wilden Westen in der Populärkultur geprägt haben.

Monument Valley

Ich verbrachte viel Zeit bei den Aussichtspunkten am Besucherzentrum, verzichtete aber mangels Allradantrieb auf eine Fahrt ins eigentliche Tal. Auf dem Weg zu meiner Unterkunft in Mexican Hat, welches seinen Namen einer Gesteinsformation verdankt, hielt ich noch mehrmals an, um die Landschaft zu geniessen. Ein obligater Stopp war dabei natürlich der Forrest Gump Hill: Es handelt sich dabei um jenen Ort, an dem Forrest Gump im gleichnamigen Film nach "drei Jahre[n], zwei Monate[n], vierzehn Tage[n] und sechzehn Stunden" des Laufens anhielt, sich umdrehte und seiner verwirrten Gefolgschaft verkündete, er sei ziemlich müde und gehe nach Hause. Natürlich spielen Fans die Szene gerne nach, sodass auf diesem Abschnitt des Navajo Code Talker Highway Vorsicht geboten ist. Die Benennung des Highways zollt übrigens den Verdiensten der Navajo im Zweiten Weltkrieg Tribut, welche durch die Verwendung ihrer Sprache sensible Nachrichten rasch ver- und entschlüsseln konnten.

Forrest Gump Point

Früh am nächsten Morgen fuhr ich weiter nordwärts, umgeben von einem sich kontinuierlich wandelnden Panorama. Am Horizont wuchsen rote Plateaus oder verschneite Bergketten in die Höhe, kamen näher, zogen vorbei und entfernten sich wieder. Gegen Mittag erreichte ich Moab, ein kleines Städtchen am Colorado River. Von hier lassen sich gleich zwei Nationalparks und ein State Park erkunden, jeweils mit unterschiedlichen geologischen Besonderheiten. Ich entschied mich als erstesfür den Sektor Island in the Sky des Canyonlands National Park. Hier geniessen Besucher von einem langgezogenen Plateau aus spektakuläre Aussichten auf tiefer liegende Ebenen; in einem geländegängigen Fahrzeug oder in mehrtägigen Wanderungen zu Fuss können letztere ebenfalls erkundet werden, beispielsweise der Zusammenfluss von Green River und Colorado River.

Canyonlands National Park
Canyonlands National Park

Mein erster kurzer Spaziergang führte mich zum Mesa Arch, der besonders bei Sonnenaufgang ein beliebtes Sujet ist: Er steht direkt am Abgrund und kontrastiert wunderbar mit dem östlich davon liegenden Umland. Es war schon ein besonderes Gefühl, diesen natürlichen Steinbogen, dessen Abbild seit Jahren in meinem Büro an der Wand hängt, einmal in echt zu sehen.

Mesa Arch

Eine kleine Wanderung, bei der eine Gestreifte Peitschennatter und ich uns gegenseitig erschreckten, brachte mich zum Grand View Point, dessen Name Programm ist: Von hier erblickt man das Monument Basin, eine Senke im White Rim Plateau. Eine harte Schicht aus weissem Sandstein schützt hier weichere Schichten, wobei Erosion entlang vertikaler Risse zur Bildung fast rechteckiger Blöcke geführt haben. Durch Erosion der unteren Schichten entstehen Säulen, die teilweise überproportional grosse Felsen tragen – irgendwann werden auch diese in die Tiefe stürzen und die Säulen der Witterung preisgeben.

Monument Basin
Monument Basin

Den nächsten Tag verbrachte ich wegen Unwohlseins grösstenteils im Bett, sodass ich etwas Zeit hatte, meine weiteren Schritte zu planen, Erlebtes niederzuschreiben und Bilder zu sortieren. Als ich am Abend in ein Diner essen ging, konnte ich fasziniert einem Linienschwärmer bei der Nahrungssuche zusehen. Diese Nachtfalterart erinnert mit ihrem schnellen Flügelschlag und Bewegungsmuster stark an einen winzigen Kolibri; tatsächlich landet das Insekt beim Fressen auch nicht, sondern saugt den Nektar im Flug aus den Blüten.

Linienschwärmer

Wieder frisch und munter, besuchte ich den Arches National Park. Schon sein Name verrät die Hauptattraktion: Über zweitausend steinerne Bögen mit einer Öffnung von mindestens drei Fuss sind auf dem geschützten Gebiet katalogisiert worden, ein kleiner Teil davon ist öffentlich zugänglich. Sie entstehen, wenn Wasser in Ritzen und Risse eindringt, dort gefriert und dadurch kleine Stückchen aus dem Fels bricht. Wind und Regen tragen das lose Material ab, und wenn dieser Vorgang die verschiedenen Schichten unterschiedlich stark angreift, können Bögen entstehen. Mit der Zeit stürzen diese freilich wieder ein und der Sandstein wird wieder zu Sand. Der wohl berühmteste Bogen wird Delicate Arch genannt – es ist nicht nur der grösste freistehende Bogen im Park, sondern er stand schon vielfach als Symbol für ganz Utah: Auf Quarters (25-Cent-Münzen), im Logo der Olympischen Winterspiele in Salt Lake City, auf Nummernschildern und in diversen Werbekontexten wurde er bereits abgebildet.

Delicate Arch

Im Verlauf des Tages sah ich verschiedene weitere Bögen, beispielsweise den beeindruckenden Landscape Arch, der eine Spannweite von knapp hundert Metern aufweist. Er befindet sich im Devil's Garden, wo auch ein interessanter Bogen mit "Mittelsäule" steht (Partition Arch). Mit bester Aussicht durch dieses natürliche Fenster machte ich eine kleine Pause und durfte eine ganze Familie von Streifenhörnchen beobachten, die ihrerseits neugierig (und wahrscheinlich auf Futter hoffend) ganz nahe herankam.

Landscape Arch
Partition Arch

Weil ich von einem Graupelschauer überrascht wurde, brach ich meine Wanderung über die rutschigen Felsen vorzeitig ab und besuchte stattdessen eine andere Gruppe von felsigen Sehenswürdigkeiten: Den Balanced Rock, ein rund 4'000 Tonnen schwerer Gesteinsbrocken, der auf einem schmalen Podest ruht, und einige weitere Bögen. Besonders beeindruckend war hier der Double Arch, wo sich zwei riesige, praktisch zueinander senkrechte Bögen geformt haben und im Abendlicht für ein schönes Spiel von Licht und Schatten sorgen.

Balanced Rock
Double Arch

Der folgende Tag war regnerisch, teilweise klatschte auch Schneeregen an die Windschutzscheibe meines Mietautos, als ich westwärts unterwegs war. Rund sieben Stunden dauerte die Fahrt durch teilweise spektakuläre Landschaft, unter anderem durch das San Rafael Reef und den Red Canyon. Mein Ziel war das Dorf Tropic unweit des Bryce Canyon National Park. Bei jenem handelt es sich nicht um einen Canyon im eigentlichen Sinn; es ist nicht eine durch ein Gewässer geformte Schlucht, sondern eine Reihe von "Amphiteatern", welche durch Erosion aus dem Paunsaugunt-Plateau herausgearbeitet worden sind. In diesen halbrunden Kesseln steht die grösste Ansammlung von "Hoodoos" genannten Felsnadeln mit Deckstein und charakteristischem Profil. Durch unterschiedlich konzentrierte Einlagerungen von Eisenoxiden im Kalkstein sind die für die Entstehung des Profils verantwortlichen Sedimentschichten als Farbbänder erkennbar. Die Bezeichnung "Hoodoo" ist übrigens eine fehlerhafte Transkription des Wortes "Oodoo" aus der Sprache der Paiute (nicht zu verwechseln mit einem gewöhnungsbedürftigen ERP ähnlichen Namens).

Bryce Point

Die beliebtesten Orte im Nationalpark sind durch eine Flotte von Shuttlebussen verbunden, was Wanderungen zwischen den Aussichtspunkten enorm erleichtert. Bei einem Spaziergang entlang des Plateaus eröffneten sich mir immer wieder neue grandiose Perspektiven auf dieses Wunder der Natur. Mehrfach fühlte ich mich an ein Werk des spanischen Architekten Antoni Gaudí erinnert, tatsächlich ist aber Frostverwitterung, das heisst Zyklen von gefrierendem und tauendem Wasser, für das Entstehen verantwortlich, ausserdem löst leicht saurer Regen Kalk und Karbonate auf. Interessanterweise entstehen die Hoodoos zeilig von so genannten "Fins" aus – die Reihen von Hoodoos, die je nach Abstand vom Rand des Plateaus unterschiedlich stark verwittert sind, sehen dabei ein wenig aus wie Fliessbandarbeit, von der Entstehung bis zum Zerfall.

Hoodoos

Das Wetter war an meinem ersten Tag im Bryce Canyon National Park noch ziemlich regnerisch, zwischendurch graupelte es auch eine Weile lang. Das Plateau liegt auf 2'400 bis 2'700 Metern, sodass es im Mai noch empfindlich kalt sein kann, wie ich selbst erfahren durfte. Für den zweiten war dafür viel Sonnenschein angekündigt, weshalb ich früh aufstand, um den Sonnenaufgang zu erleben. In alle Schichten eingepackt, die ich dabei hatte, wartete ich mit etwa drei Dutzend anderer Besucher am Sunrise Point, bis goldenes Licht die warmen Farbtöne der "Amphiteater" so richtig zur Geltung brachte.

Sonnenaufgang
Goldene Stunde
Goldene Stunde

Nach dem Frühstück wurde es schnell wärmer, und ich machte eine Wanderung in die Felskessel hinab. Der aussichtsreiche Weg führte zwischen den steinernen Riesen hindurch, teilweise auch durch kleine Tunnels und steile Anstiege hinauf. Einer Geschichte der Paiute zufolge handelt es sich bei den Hoodoos um die Legendenmenschen, die sich zu Lebzeiten in alle möglichen Tiere verwandeln konnten. Da sie aber böse waren, verwandelte der Gott Coyote sie zu Felsen, und so präsentieren sie sich heute noch: Stehend oder sitzend, alleine oder in Gruppen, sich aneinander lehnend und sich gegenseitig stützend.

Hoodoos
Hoodoos

Im Nationalpark wachsen Wälder duftender Nadelbäume, die den Weg zum Teil beschatten und Lebensraum für verschiedene Tiere bieten. Den Berglöwen (Pumas) begegnete ich nicht, dafür sah ich zahlreiche Eidechsen, Streifenhörnchen, Raben, wunderschöne Diademhäher mit ihrem prächtigem blauen Federkleid sowie einen Gabelbock. Einige mehr der letzteren sah ich leider tot am Strassenrand bei der Fahrt nach Cedar City. Der Weg führte mich durch abwechslungsreiche Landschaft, vorbei an Schneefeldern und sogar einem gefrorenen See, über einen 3'020 Meter hohen Pass und zurück ins warme Tal.

Navajo Lake

Von Cedar City aus besuchte ich den Kolob Canyon im Zion National Park und machte eine kleine Wanderung dem Taylor Creek entlang. Das Rot der Felsen und des Bodens kontrastierte dabei hübsch mit dem saftigen Grün der Vegetation und dem Blau des Himmels. Unterwegs traf ich drei Maultierhirsche an, die sich dem Wüstenklima dadurch angepasst haben, dass sie lange Ohren besitzen, über die sie Wärme abgeben können. An der kurzen Strecke des nördlichen Sektors besuchte ich daraufhin noch einige Aussichtspunkte – von einem davon konnte man bis zur Nordkante des Grand Canyon schauen.

Taylor Creek
Aussicht zum Grand Canyon

Dem südlichen Sektor des Nationalparks stattete ich anderntags einen Besuch ab. Um dem grossen Andrang Herr zu werden und verstopfte Strassen zu verhindern, fahren Elektro-Shuttles vom Parkeingang im Fünfminutentakt bis tief in den Zion Canyon – Privatfahrzeuge sind nicht gestattet. Bis zum Nachmittag nutzte ich das Angebot aber nicht, stattdessen nahm ich einen Grossteil des Wanderwegnetzes unter die Füsse: Dem Fluss entlang, zum Scout's Lookout hoch über dem Tal, zu den Emerald Pools, die unterhalb hoher, senkrechter Felswände liegen, und bis zu The Narrows, wo sich das Tal verengt. Mit einer entsprechenden Bewilligung ist es möglich, längere Wanderungen durchzuführen und auf einem der abgelegenen Zeltplätze im "Backcountry" zu übernachten. Eigentlich hatte ich ursprünglich vorgehabt, in den Nationalparks in Utah einige Nächte zu verbringen, dann aber aus mehreren Gründen doch darauf verzichten müssen.

Zion Canyon
The Narrows
Steile Felswände

Am Abend fuhr ich dann wieder nach Las Vegas und manövrierte mich erfolgreich über die teils fünfspurige Autobahn, bei der die beiden rechten Fahrbahnen immer wieder zu Ausfahrten mutierten. Ich unternahm in der Stadt dieses Mal nicht viel, sondern erholte mich vor allem in meinem grosszügigen Zimmer und am Hotelpool. Zwei Themenhotels sah ich mir aber noch an, und zwar das pyramidenförmige Luxor mit seinem altägyptisch angehauchten Stil sowie das Excalibur, das besonders Familien mit seinem Ritterburgen-Aussehen anspricht.

Luxor
Luxor
René
hat geschrieben
Dienstag, Mai 21, 2024
Ein Land der Gegensätze!
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