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Nach einer ziemlich langen Zollprozedur fuhr ich mit dem Zug durch den Bundesstaat New York nach NYC und von dort am Folgetag weiter nach Washington, D.C.
Auf den Fernverkehrsstrecken Nordamerikas Zugfahren ist übrigens recht komfortabel, man hat viel Beinfreiheit, kippbare Sitze, eine Leselampe, Steckdose und WiFi. Letzteres allerdings in wechselnder Qualität, je nachdem, wie gut die Mobilfunknetzabdeckung entlang der Strecke ist. Ein Bordcafé oder ein Wägelchen mit einer reichhaltigen Auswahl an Snacks sorgen unterwegs für das leibliche Wohl – in Kanada hatte ich beispielsweise ein Plättchen mit Guacamole, Hummus, Gemüse und Crackern. Etwas speziell ist, dass es ein geordnetes Boarding gibt und dass vor jedem Bahnübergang mehrmals laut gehupt wird, ausserdem werden an den kleineren Stationen nur bestimmte Türen geöffnet. Unpraktischerweise gehören die meisten Strecken den Güterverkehrsunternehmen, sodass deren Züge Vortritt haben, was leider denkbar häufig zu Verspätungen für Zugreisende führt. Im Nahverkehr hingegen sind Züge und Metros etabliert und sehr zuverlässig.

In Washington angekommen, führte mich mein Weg zunächst zum Kapitol, wohl eines der markantesten Gebäude der Hauptstadt. Hier sitzen die Senatoren und Repräsentanten, erlassen Gesetze für den Staat und besitzen innerhalb des District of Columbia das Recht, Gesetze der Stadtregierung zu kippen – die Einwohner können aber nicht einmal Mitglieder der beiden Kammern wählen! Grund dafür ist die Pennsylvania Mutiny im Jahre 1783, als Bundessoldaten die Bezahlung ihres Soldes aus dem Unabhängigkeitskrieg forderten und das damalige Parlament in Philadelphia umstellen. Als der Staat Pennsylvania sich weigerte, das Parlament mit seiner Miliz zu schützen, wurde deutlich, dass ein föderaler Distrikt ausserhalb der Jurisdiktion eines einzelnen Staates geschaffen werden musste, um die Sicherheit der obersten Volksvertreter zu gewährleisten. Der District of Columbia, benannt nach der Personifikation der Vereinigten Staaten, umfasste ursprünglich ein wesentlich grösseres Gebiet als die damals noch sehr kleine Hauptstadt - insgesamt lagen drei Städtchen im District of Columbia. Nach einer Landrückgabe an Virginia und einer Ausdehnung des Stadtgebiets sind Washington und D.C. heute geografisch nicht mehr voneinander unterscheidbar.

Die Rotunda des Kapitols bildet das Zentrum einer Windrose, welche die Planstadt in vier Quadranten teilt. Im Zentrum verlaufen die Strassen von Norden nach Süden und von Osten nach Westen, einige diagonale Strassen sorgen für Kreuzungspunkte für das Aufstellen von Monumenten.
Besonders im Inneren des Parlamentsgebäudes fühlte ich mich stark an die erschreckenden Bilder vom Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 erinnert. Im Gegensatz zu den damaligen Teilnehmern bin ich bis Ablauf der aktuellen Legislaturperiode stolzer Besitzer eines Besucherpasses für das Repräsentantenhaus und darf Debatten von der Galerie aus verfolgen, allerdings muss ich, wie alle Besucher, vorher meine elektonischen Geräte in Verwahrung geben.


Die repräsentative westliche Hauptachse der Stadt bildet die National Mall. Dieser Grünstreifen, der 120 m breit und rund eine Meile lang ist, wird an einem Ende vom Kapitol begrenzt, am anderen steht das Lincoln Memorial am Potomac River. Die Statue in jenem Tempel ist die am zweitmeisten fotografierte der USA, die anderen beiden Podestplätze sind mir ja schon in New York und Harvard begegnet. Mittendrin steht das Washington Monument, ein rund 555 Fuss (169 Meter) hoher obeliskförmiger Turm, auf einem Hügel.


Die National Mall wird gesäumt von zahlreichen öffentlichen Gebäuden, allen voran 11 Museen der Smithsonian Institution. 1846 mit dem testamentarischen Auftrag James Smithsons gegründet, Wissen zu vermehren und zu verbreiten, wuchs die Einrichtung mit den Jahren und ist heute ein Forschungs- und Bildungsinstitut mit einem Zoo, 19 Museen, 21 Bibliotheken und 9 Forschungszentren. Fast alle der Museen können gratis besucht werden.
Ich verbrachte einen Tag im National Air and Space Museum, wo neben vielem anderem das erste motorisierte Flugzeug der Gebrüder Wright, das Kommandomodul der Apollo 11 und Mondgestein ausgestellt sind.

Auch das Weisse Haus liegt unweit der National Mall. Genau wie der Präsident wohne ich aktuell an der Pennsylvania Avenue, er dürfte aber etwas mehr Platz haben als ich, dafür aber auch mehr neugierige Touristen vor der Haustür ;)

Die National Mall und deren Umgebung beherbergt ausserdem zahlreiche Denkmäler, die an Kriege und bedeutende Persönlichkeiten gemahnen. Besonders eindrücklich sind die Denkmäler des Korea- und des Vietnamkrieges, wo die Namen aller Zehntausenden Gefallenen in polierte schwarze Marmorplatten graviert sind.


Eine noch grössere Dimension hat der Nationalfriedhof Arlington am gegenüberliegenden Flussufer. 1862 wurde damit begonnen, Soldaten des Unabhängigkeitskriegs hier zu bestatten. Heute widerspiegelt der Friedhof die gesamte Amerikanische Geschichte, sogar die sterblichen Überreste von Militärs des Unabhängigkeitskriegs wurden nachträglich hierhin überführt. Knapp 400'000 Menschen liegen hier begraben, wöchentlich kommen ca. 150 dazu. John F. Kennedy und einige Mitglieder seiner Familie sowie die Opfer der Challenger- und Columbia-Space-Shuttle-Katastrophen wurden unter anderem hier beigesetzt. Überdies befindet sich hier das Grab des Unbekannten Soldaten, wo jeweils ein Soldat stellvertretend für alle nicht identifizierten Toten des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie des Koreakriegs seine letzte Ruhestatt gefunden hat. Seit dem Vietnamkrieg konnten alle Leichen identifiziert werden, sodass die entsprechende Krypta inzwischen leer ist.



Der älteste Teil der Stadt ist das ursprünglich eigenständige Georgetown. Schmucke bunte Häuschen säumen dort die gepflasterten Strassen der relativ gut erhaltenen ehemaligen Hafenstadt. Die gleichnamige Elite-Universität, die wenig überraschend führend ist in den Bereichen Internationale Beziehungen, Politik-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, bildet hier seit mehr als 230 Jahren Studenten aus.

Da ich mich vergangenes Wochenende gesundheitlich angrschlagen fühlte, verzichtete ich auf Erkundungstouren, ruhte mich aus, wusch meine Kleider, liess mir die Haare schneiden und besuchte einen Outdoor-Laden, um mich mit einigen Dingen für den nächsten Halt meiner Reise einzudecken: Shenandoah National Park.
Ich hoffe, dass du wieder gesund bist und fit für den nächsten Nationalpark.